26. Juli 2021, von Andreas Bechler
Der neue Dreiklang der Fitnessbranche: Indoor, Outdoor & Online
Der Kernbereich des Fitnessstudios wird in Zukunft nicht mehr für sich alleine stehen. Was Sie bei der Umsetzung von Indoor-, Outdoor- und Online-Maßnahmen in Ihrem Studio beachten sollten.
“Früher war alles einfacher.” Ob dieser Satz als allgemeingültig angesehen werden darf, kann jeder für sich selbst entscheiden. Für die Fitnessbranche trifft er aber durchaus in einem gewissen Rahmen zu. Die Kunden besuchten das Fitnessstudio und fanden dort alles Nötige vor - Equipment, Kurse und Betreuung. Studioinhaber selbst mussten nicht über die eigenen vier Wände hinausdenken und wenn überhaupt, dann nur weil ein Verkaufsstand in der Fußgängerzone oder auf einer lokalen Veranstaltung geplant wurde. Das Leben war für unsere Branche tatsächlich einfacher.
Dann kam Corona und stellte die Fitnessbranche auf den Kopf. Plötzlich war der Kunde nicht mehr vor Ort und die eigenen vier Wände des Studios waren nicht mehr die Begrenzung.
Maßnahmen wurden eilig ergriffen, um den Kunden weiter an das Studio zu binden und den Kontakt nicht zu verlieren. Eigene Online-Streams über die bekannten Plattformen zu den eigenen Kursen wurden zu einem beliebten Instrument. Die Kunden nahmen es dankend an.
Eine gewisse Zeit verging, es wurde draußen wärmer und die Kunden zog es sportlich nach draußen. Einige Fitnessanbieter erkannten das in Corona-Zeiten bessere Image von Outdoor gegenüber Indoor und zogen mit. Die Kunden nahmen es wieder an. Ein neuer Dreiklang der Fitnessbranche wurde geboren.
Die neuen Kernelemente der Fitnessbranche
Die Einleitung hat es bereits angedeutet, die Fitnessbranche ist heute bei Weitem nicht mehr so eindimensional, wie sie einst war. Corona hat zu einem neuen Dreiklang geführt: Indoor, Outdoor und Online.
Andreas M. Bechler ist Autor, Berater, Dozent und Podcaster in der Fitnessbranche. Daneben ist Andreas Sprecher des Arbeitskreise Fitnessbranche des VSD - Verband für Sportökonomie und Sportmanagement e.V. Sie können mit Andreas über LinkedIn in Kontakt treten: https://www.linkedin.com/in/andreasmbechler/
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Indoor
Der Indoor-Bereich ist natürlich immer noch das Herzstück des Fitnessstudios. Hier hat alles seinen Anfang genommen. Natürlich war auch dieser Bereich über die Jahre hinweg immer im Wandel, aber ein paar Kernkomponenten haben sich eigentlich nie geändert - Gerätepark, Kursangebot, Betreuung. Lange spielte sich ausschließlich hier die Dienstleistung Fitness ab. Auch in Zukunft wird dieser Bereich die zentrale Begegnungs- und Betreuungsstätte für die Mitglieder bleiben. Allerdings steht es nicht mehr allein als Inbegriff unserer Dienstleistung.
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Outdoor
Die Corona-Krise hat dem Outdoor-Bereich einen ungeahnten neuen Schwung verpasst. Outdoor hat vielen Kunden das Sicherheitsgefühl zurückgegeben, dass sie in geschlossenen Räumen verloren hatten. Gleichzeitig war es nicht denselben strengen Regularien wie der Indoor-Bereich unterworfen, auch wenn trotzdem nicht jedes Konzept einer behördlichen Kontrolle standhielt (vgl. McFit: Behörden schließen alle Outdoor Gyms). Es bleibt aber ein Bereich der Zukunft, den die Kunden einfordern werden. Ob es sich am Ende um eigene Outdoor-Bereiche mit den altbekannten Maschinen des Fitnessstudios handelt oder man die freie Natur für ein Functional Training mit Kleingeräten nutzt, ist am Ende nur eine Frage des verfügbaren Platzes, der Bereitschaft zur Investition und des individuellen bereits bestehenden Konzepts.
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Online
Den Online-Bereich hat die Fitnessbranche leider lange vernachlässigt. Dies hat uns die Krise so hart vor Augen geführt, wie wahrscheinlich kaum etwas anderes. Aus zuvor Ad-hoc-Maßnahmen sind spätestens mit dem zweiten Lockdown etwas Dauerhaftes geworden. Den Kontakt mit den Bestandskunden auch außerhalb des Fitnessstudios nicht zu verlieren, ist gerade bei einem ausbleibenden Neukundengeschäft von essenzieller Bedeutung. Gleichzeitig ist es auch die vorerst einzige Möglichkeit, das Training der eigenen Kunden überall und auch während potenzieller Kontaktbeschränkungen sicherzustellen. Der Kunde hat damit keine Ausrede mehr, sich vor dem gesundheitlich wertvollen Training zu drücken, und unsere Branche hat eigentlich keine Ausrede mehr, Online nicht im Leistungsportfolio zu integrieren.
Man kann natürlich darüber streiten, ob diese Elemente wirklich ebenbürtig nebeneinanderstehen oder sich am Ende trotzdem noch alles um das Kernelement Indoor dreht. Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass Indoor auch in Zukunft der zentrale Punkt bleiben wird. Am Ende muss jedes Studio es für sich selbst entscheiden, wo der Schwerpunkt trotz allem liegt. Vernachlässigen sollte man aber in Zukunft keinen dieser Punkte.
Die Umsetzung in der Praxis
Viel erzählen kann natürlich jeder, die wichtigste Aufgabe ist es immer noch, die PS auf die Straße zu bringen. Diesbezüglich ist natürlich jedes Thema nochmal eine Sache für sich, die vermutlich seitenlang diskutiert werden könnte. Hierzu gibt es auch bereits einige interessante Ansätze (vgl. z.B. FIBO Online-Seminar-Reihe Studiokonzepte: “Outdoor-Training im Fitnessstudio: Hype oder Trend?”). Dabei ist natürlich auch die Individualität Ihrer eigenen Anlage zu berücksichtigen, damit es auf keinen Fall künstlich oder konstruiert wirkt und einfach nicht ins Gesamtkonzept passt. Jede erdenkliche Möglichkeit der Umsetzung im Rahmen eines solchen Artikels zu diskutieren, ist nahezu unmöglich. Es gibt aber ein paar klare grundlegende Tipps, welche Sie für jede Umsetzung von Indoor-, Outdoor- oder Online-Maßnahmen in Ihrem Studio beachten sollten.
Tipp 1: Erfinden Sie das Rad nicht neu
Ein weit verbreiteter Fehler ist, dass mit den neuen Komponenten viele direkt neue Formate einführen wollen. Als ersten Outdoor-Kurs gibt es plötzlich Jogging im Angebot und online werden als ersten Schritt Webinare angeboten, obwohl es im Studio nie Seminare gab. Ihre Kunden aber sind Ihre bisherigen Formate gewöhnt und reagieren auf Veränderungen und etwas Neues auch erst mal mit einer gewissen Skepsis. Drehen Sie also für den Kunden nicht direkt dessen Fitnesswelt auf den Kopf, sondern übertragen Sie lieber bestehende Formate in die neue Umgebung. Sie bieten zum Beispiel Personal Training als Dienstleistung im Studio an? Warum nicht in Zukunft auch Outdoor oder Online?
→ Welche meiner einzelnen Angebote kann ich (fast) 1:1 auf Online oder Outdoor übertragen?
Tipp 2: Schaffen Sie klare Zuständigkeiten
Studioinhaber haben gerne den Hang, dass sie alles in der eigenen Hand behalten wollen. Dies war zu Zeiten eines kleineren Produktportfolios auch kein Problem, mit Blick auf den Dreiklang der heutigen Zeit aber nicht mehr händelbar. Sie müssen als Inhaber in Zukunft auch bereit sein, Dinge abzugeben und in die Umsetzungsfähigkeiten Ihrer Mitarbeiter vertrauen. Sie haben doch auch bereits einen Studioleiter eingestellt, der sich um sämtliche Belange Ihres Indoor-Trainingsbereichs kümmert, oder? Warum also nicht auch einen Verantwortlichen Outdoor bzw. Online? Eine Person mit Fokus auf ein Thema wird in der Regel besser daran arbeiten können und bessere Ergebnisse erzielen.
→ Wer ist für die Etablierung und die dauerhafte Weiterentwicklung intern verantwortlich?
Tipp 3: Scheuen Sie nicht, auf externe Hilfe zurück zu greifen
Viele Studioverantwortlichen wollen aus Kostengründen gerne alles selbst machen. Ein solch sparsames Vorgehen mag zwar gut gemeint sein, kann aber am Ende genau das Gegenteil bewirken. Im schlimmsten Fall haben Sie eine Menge Geld in den Sand gesetzt und konnten keine positiven Ergebnisse erzielen. Fragen Sie in Ihrem Netzwerk nach, welcher Kollege bereits Erfahrung mit der Umsetzung gemacht hat, und “quetschen” Sie ihn aus. Besuchen Sie (Online-) Kongresse oder Messen und lassen Sie sich von den dort vorgestellten Erfahrungen inspirieren. Holen Sie sich einen externen Berater ins Haus, der bereits selbst zahlreiche Erfahrungen in der Umsetzung solcher Maßnahmen gemacht hat. All dies wird die Gefahr zu scheitern, deutlich verringern.
→ Wo fehlt mir intern Knowhow, welches ich mir extern besorgen muss?
Tipp 4: Geben Sie der Sache Zeit und planen Sie klare Steps
Wir haben bei uns in der Branche den Hang zu erwarten, dass wir heute etwas starten und morgen sich bereits die Erfolge einstellen. Vermutlich liegt auch dieses Denken in unserer Vergangenheit, in der tatsächlich ganze Studios eröffnet werden konnten und binnen relativ kurzer Zeit erfolgreich wurden. Auch hiervon werden wir uns verabschieden und Dinge sich entwickeln lassen müssen. Dafür benötigt es Zeit und die müssen wir bereit sein einer Sache zu geben. Gehen Sie aber trotzdem nicht ohne jeglichen Plan in die Umsetzung. Setzen Sie klare Steps, um die positive oder negative Entwicklung eines Umsetzungsprojektes beurteilen zu können. Haben Sie einen Step nicht erreichen können, dann hinterfragen Sie, warum dies so kam. Waren die Ziele nicht realistisch oder wurden Fehler gemacht? Passen Sie an oder ziehen Sie zur Not die Reißleine.
→ Welche zeitliche Erwartung habe an die Projekte bzw. bis wann erwarte ich welche Ergebnisse?
Befolgen Sie diese grundlegenden Tipps, dann sind Sie schon mal auf einem guten Weg, den neuen Dreiklang der Fitnessbranche auch in Ihrem Studio erfolgreich umzusetzen. Lassen Sie sich dabei auch von Rückschlägen nicht sofort entmutigen. Wie es der Tipp 4 bereits aussagt, “gut Ding will Weile haben”.
Fazit
Die Welt hat sich verändert, die Kundenansprüche sind im Wandel und damit muss sich auch die Fitnessbranche den neuen Anforderungen anpassen. Nicht jedes Konzept wird im gleichen Maße auf die neuen drei Kernelemente zurückgreifen müssen, aber daran vorbei kommt man auch nicht mehr so leicht. Scheuen Sie sich nicht davor, auch Ihr Konzept der neuen Zeit anzupassen.
Über Hashtag Fitnessindustrie
Hashtag Fitnessindustrie ist der Podcast über die deutsche Fitnessbranche mit all ihren Facetten und Akteuren. Er soll einen Wissenstransfer zwischen den Interviewgästen und dem Zuhörer zum Nutzen der ganzen Branche zu ermöglichen.
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