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  • Messegelände Köln

30. August 2023, Andreas M. Bechler

Rehasport vs. Präventionskurse - Was macht für mein Fitnessangebot Sinn?

(c) Shutterstock

Bietest du schon Rehasport oder Präventionskurse an? Hier erfährst du, warum es für dich durchaus Sinn machen kann.

Rehabilitationssport und Präventionskurse haben in den vergangenen Jahren einen wahrhaften Siegeszug hingelegt. Immer mehr Fitnessstudios aber auch Physiotherapeuten und sogar Personal Trainer setzen auf diese Konzepte, um das eigene Leistungsportfolio (hoffentlich) sinnvoll zu erweitern. Aber was macht diese beiden Konzepte so besonders und welches ist das richtige für das eigene Fitnessangebot? Ich möchte dir in diesem Artikel einen ersten Überblick verschaffen und außerdem zwei konkrete Beispiele aufzeigen, wie diese beiden Konzepte in dein Leistungsportfolio integriert werden können.

Wichtiges Bindeglied zwischen Therapie und Training

Rehasport und Präventionskursen kommen in der Patienten- / Kundenreise ein besonderer Stellenwert zu. Wie du der folgenden Abbildung entnehmen kannst, sind sie das Bindeglied zwischen der Therapie- (in der Regel durch Kostenträger übernommen) und der eigenständigen Trainingsphase (durch den Kunden selbst bezahlt). Ihnen wird damit die vermeintlich schwierige Aufgabe zuteil, aus Patienten selbstzahlende Kunden zu machen. Beide Konzepte beinhalten den Vorteil, dass der Kunde weiterhin in einem (zumindest größtenteils) übernommenen Angebot mit direkter Betreuung an den eigenen gesundheitlichen Problemen arbeiten kann, was die Fortsetzung der Therapie erleichtert. Da diese Maßnahmen nicht an eine vorherige Therapie gebunden sind, kann sogar ein niedrigschwelliger Einstieg hierüber erreicht werden, was aber wiederum dasselbe Ziel verfolgt, den Patienten zum selbtszahlenden Kunden zu machen. 

Abbildung: Customer Journey eines Gesundheitsanbieters (Eigene Darstellung) 

Korrekterweise sollte man hier noch erwähnen, dass auch das sogenannte T-RENA ein solches Übergangsangebot darstellt. T-RENA ist allerdings an eine vorausgehende  Reha-Maßnahme gebunden und daher, anders als Rehasport und Präventionskurse, nicht jedem Menschen einfach zugänglich. Daher wird es in diesem Artikel nicht weiter beachtet, sollte aber von Gesundheitsanbietern separat in Augenschein genommen werden.  

Linktipp: 

Wenn du dich intensiver mit der gesamten Customer Journey eines Gesundheitsanbieters beschäftigen möchtest, dann schau gerne in den passenden Artikel: www.fibo.com/de-de/medien/News/Customer-Journey-Gesundheitsanbieter.html

Rehabilitationssport

Rehabilitationssport nach § 64 SGB IX erfreut sich in den letzten Jahren einer großen Beliebtheit. Dies verwundert auch nicht allzu sehr, schließlich profitieren erst mal alle Seiten davon. Der Patient bekommt kostenfrei eine längere Gruppen-Maßnahme (50 Übungseinheiten in einem Zeitraum von 18 Monaten) gestellt, der verordnende Arzt belastet sein Budget nicht, der Fitnessanbieter bekommt einen zusätzlichen Umsatzbringer und die Krankenkasse muss nur eine vergleichsweise kostengünstige Maßnahme bezahlen. Die Kursformate gibt es in verschiedenen Varianten. Die wahrscheinlich verbreitetsten sind Gymnastikgruppen, Wassergymnastikgruppen, Herzsportgruppen, Rehasport nach Krebs, Lungensportgruppen, Kindersport etc. Es ist in der Regel für jedes Problem eine Option dabei. Soweit zumindest die Theorie.

In der Praxis ist mit dem Angebot von Rehabilitationssport ein nicht unerheblicher bürokratischer Aufwand verbunden. Dies fängt bereits bei der Zulassung einer Rehasportgruppe an. Der zuständige Trainer muss über eine gültige B-Lizenz Rehabilitationssport verfügen. Der Kurs selbst muss durch den jeweils zuständigen Landesbehindertensportverband zertifiziert werden. In der Regel erfolgt dies wiederum über einen angeschlossenen Verein, welcher als Anbieter eines solchen Kurses auftritt. Erst wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Rehasport gestartet werden.

Auch die anschließende Abrechnung mit den Krankenkassen ist mit einem hohen Aufwand verbunden. Die Krankenkassen bzw. durch diese beauftragte Unternehmen prüfen die eingereichten Abrechnungen genau und nehmen bei Ungereimtheiten schnell Abzüge vor. Viele Studios und Physiopraxen greifen daher auf Anbieter zurück, die speziell den Aufwand in der Abrechnung (gegen einen Umsatzanteil) abnehmen und dem Studio ermöglichen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Aber genug Worte von meiner Seite zum Rehabilitationssport. Lassen wir doch einen Anbieter selbst zu Wort kommen, worin in seinen Augen die Vorteile dieses Gesundheitsangebots liegen.

Sven Stiel - 1. Vorsitzender des VfRG e.V.

 

Durch die Begleitumstände der letzten drei Jahre ist in der Bevölkerung ein vermehrter Bedarf an gesundheitssportlichen Angeboten entstanden, was dazu geführt hat, dass die Nachfrage nach Rehasport noch einmal spürbar zugenommen hat und die Jahre vor 2019 sogar noch weit übertrifft. Der Umstand, dass Rehasport auch in der Coronazeit in fast allen Bundesländern als medizinisch notwendige Maßnahme eingestuft wurde, führte dazu, dass Rehasport auch zu Lockdownzeiten in Präsenz durchgeführt werden durfte. Das verleiht dem Status „Gesundheitsanbieter“ noch einmal einen größeren Wert.

Hervorzuheben ist auch, dass die Arztpraxis unser direkter Multiplikator ist und wir die Patienten / Interessenten direkt vom Arzt geschickt bekommen. Eine fruchtbare und gewinnbringende Kooperation. Ein weiterer Vorteil des Rehasports ist die Verpflichtung zu einer Beratung des Patienten vor Beginn des Rehasports. Hier können wir ihm weitere Leistungen, wie z. B. gezielten Muskelaufbau am Gerät, nahebringen und in einer freiwilligen „Zusatzmitgliedschaft“ enden lassen. Zusätzlich benötigt ein Rehasportler für die Absolvierung der kompletten Maßnahme im Schnitt 12 Monate, was wiederum dazu genutzt werden kann, eine gute Kundenbindung aufzubauen, zu festigen und damit den Übergang zu einer nachfolgenden Mitgliedschaft im Fitnessclub umzusetzen, wenn keine Folgeverordnung ausgestellt wird.

Zusammenfassend gibt es für mich vier Argumente für die Umsetzung des Rehasports:

  • Klare Positionierung als Gesundheitsanbieter
  • Bessere Auslastung der Kursräumlichkeiten
  • Generierung von beträchtlichen Zusatzeinnahmen durch die Abrechnung der Gruppenangebote und den Verkauf von Zusatzangeboten
  • Neues Kundenpotential zur Mitgliedergewinnung”

Präventionskurse nach § 20 SGB

Das zweite “Tool”, welches einem Gesundheitsanbieter zur Verfügung steht, ist das der Präventionskurse nach § 20 Abs. 4 Nr. 1 SGB V. Präventionskurse gibt es mittlerweile in Hülle und Fülle und können in verschiedensten Varianten angeboten werden. Egal ob Nordic Walking, Yoga, Aquafitness, Autogenes Training, gesunde Ernährung etc. bieten sich viele Optionen an, dies im Rahmen des bestehenden Angebots zu integrieren, ohne dass die Diskrepanz zu diesem zu groß wird. Mittlerweile bieten auch einige Geräteanbieter die Möglichkeit an, entsprechendes Material für eine Kurszertifizierung mit deren Trainingsgeräten zu liefern.

Entscheidend für die Umsetzung sind die Qualifikationen der Kursleiter und das Konzept des Kurses an sich, welche durch die Zentrale Prüfstelle Prävention geprüft werden. Besteht man die Prüfung, darf man fortan Kurse anbieten, welche zu einem Großteil durch die gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Der erfolgreiche Durchlauf durch den Prüfungsprozess sollte dabei nicht unterschätzt werden. Die Zentrale Prüfstelle verlangt den Unterlagen durchaus einiges ab, so dass eine Hinzuziehung einer darauf spezialisierten Beratungsagentur oder der Einkauf bestehender Kurskonzepte durchaus sinnvoll sein kann.

Hat man aber den Prüfungsprozess einmal bestanden, so bleibt man von bürokratischen Abrechnungsprozessen verschont. Die Teilnehmer zahlen im Vorfeld eines Präventionskurses direkt an dich als Anbieter und sind danach selbst für die Einreichung der Kosten bei ihrer jeweiligen Krankenkasse verantwortlich. Unbürokratischer geht es für dich als Anbieter eigentlich nicht mehr.

Auch hier möchte ich wieder einen Experten zu Wort kommen lassen, welcher selbst Fitnessanbieter in der erfolgreichen Etablierung eines Präventionskurses berät. 

Christian Guzien von ‘Prävention für alle’ über Präventionskurse

 

 

“Zunächst einmal haben beide Systeme ihre Berechtigung und können sogar sehr lukrativ parallel im Studio betrieben werden. Es stellt sich also nicht die Frage nach dem ‘entweder oder’, sondern ist als ein ‘sowohl als auch’ zu sehen. Allein schon weil sich Prävention an eine Zielgruppe mit hohem Gesundheitsbewusstsein richtet, die verhindern möchte, dass etwas kaputt geht. So sollte meiner Meinung nach auch der Weg sein. Handeln, bevor etwas kaputt geht. Rehasport wird in der Regel erst verordnet, wenn etwas kaputt ist, also quasi das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.

 

Ein sehr interessanter Fakt über Präventionskurse ist, dass man hier in der Preisbildung frei ist und die Kursgebühr in voller Höhe direkt am Anfang bezahlt wird. Dies wirkt sich positiv auf den Cashflow des Studios aus.

Ein weiterer interessanter Punkt ist, dass man über die §20 Präventionskurse Zugang zu Firmen mittels BGM/BGF Maßnahmen erhält. Ein Thema, das zunehmend an Bedeutung gewinnt und sich als Positionierung und Business Modell für Studios hervorragend eignet. Einziger Wermutstropfen ist, dass die Grundqualifikation für Präventionsmaßnahmen gegenüber denen für Rehasport restriktiver ist.” 

Das richtige Angebot finden

Ob du in Deinem Gesundheitsangebot Rehasport, Präventionskurse oder auch eine Kombination aus beidem einsetzen möchtest, wirst du am Ende selbst entscheiden müssen. Beide Angebote haben, wie zuvor dargestellt, ihre Vorteile und konnten in der Praxis bereits häufig erfolgsbringend angewandt werden. Wichtig ist es dabei, dass das jeweilige Angebot in das gesamte Leistungsportfolio passt. Lass uns das an zwei konkreten, wie ich finde, Best-Practice-Beispielen aufzeigen.

Die PhysioFamily und Fitnessfamily Koblenz sind ein schönes Beispiel für die erfolgreiche Integration eines Rehasport-Konzepts in ein Fitnessstudio. Patienten kommen typischerweise aus der vorherigen Physiotherapie oder direkt mit einem Rehasport-Rezept und werden vor Beginn des Rehasports in ein intensives Beratungsgespräch geführt. Dieses Gespräch ist bereits der Schlüssel, um aus dem Patienten später einen Kunden des eigenen Fitnessstudios zu machen und direkt mit sämtlichem Knowhow zu versorgen. Der große Erfolg von mittlerweile 33 Rehasportgruppen gibt dem Inhaberehepaar Kroth Recht.

Aber auch Präventionskurse können erfolgreich in das Leistungsangebot integriert werden. Die DK Sports & Physio aus Karlsruhe versteht es, eine eher junge und sportliche Klientel im Therapieanschluss oder direkt in einen Präventionskurs zu integrieren. Die Kurse sind selbstverständlich auf diese Klientel angepasst und dementsprechend herausfordernd. Im Idealfall bleibt der Kunde im Anschluss für das ebenfalls angebotene Personal Training der Praxis erhalten (vgl. Customer Journey eines Gesundheitsanbieters) oder wird spätestens bei der nächsten Therapiemaßnahme an die positive Erfahrung denken.

Erwähnenswert ist noch, dass sich die beiden Konzepte gegenseitig natürlich nicht ausschließen. Je nach Angebot kann durchaus auch eine Kombination von beiden Varianten sinnvoll sein. Auf der einen Seite holt man die Personen ab, welche etwas für ihre Gesundheit tun wollen (Prävention), und nimmt auch jene Personen mit, welche bereits erkrankungsbedingt in die therapeutische Schiene gerutscht sind (Rehabilitation).

Einen weiteren Punkt sollte man bei beiden Konzepten allerdings immer im Blick behalten. Der bürokratische Aufwand für die Anerkennung und im Falle des Rehasports auch die Abrechnung ist nicht zu unterschätzen. Hier sollte man ernsthafte Gedanken über die Zuhilfenahme eines externen Dienstleisters machen, um sich auf die Kerntätigkeit der Kundenbetreuung kümmern zu können. Dein Zeitbudget (und wahrscheinlich auch dein Nervenkostüm) werden es dir danken. 

Fazit

Du siehst, beide Konzepte haben ihre Berechtigung. Die entscheidende Frage ist am Ende, was passt besser in das eigene Leistungsangebot bzw. zur eigenen Zielgruppe. Hat man diesbezüglich eine Linie gefunden, kann es eigentlich schon (fast) losgehen. Worauf wartest du noch?

Über den Autor

Andreas M. Bechler ist Autor, Berater, Dozent und Podcaster in der Fitnessbranche. Daneben ist Andreas Sprecher des Arbeitskreises Fitnessbranche des VSD - Verband für Sportökonomie und Sportmanagement e.V. Sie können mit Andreas über LinkedIn in Kontakt treten: linkedin.com/in/andreasmbechler

Über Hashtag Fitnessindustrie

Hashtag Fitnessindustrie ist der Podcast über die deutsche Fitnessbranche mit all ihren Facetten und Akteuren. Er soll einen Wissenstransfer zwischen den Interviewgästen und dem Zuhörer zum Nutzen der ganzen Branche zu ermöglichen. Aktuelle Trends und Entwicklungen sind ebenso Teil des Podcasts wie grundsätzliche strategische Fragen aus dem Tagesgeschäft von Fitnessanbietern. Weitere Informationen: hashtag-fitnessindustrie.de

Weiterführende Links:

Weitere Eindrücke zum Rehasport und wie dieser erfolgreich dein Gesundheitsangebot bereichern kann, erhältst du in Folge 66 von Hashtag Fitnessindustrie mit Kristian Kroth

Wie Präventionskurse in ein Fitnessangebot integriert werden können, erfährst du darüber hinaus in Folge 64 von Hashtag Fitnessindustrie mit Yvonne Bechheim