18. Oktober 2021, von Andreas Bechler
Existenzgründung in der Fitnessbranche: So funktioniert die lokale Marktanalyse
Die Neueröffnung eines Fitnessstudios sollte wohl durchdacht sein. Den lokalen Markt zu erfassen, ist dabei ein wichtiger Schritt im Rahmen eines Gründungsprojekts. Wie eine Marktanalyse aussehen kann.
Existenzgründungen waren in der Fitnessbranche immer beliebt, verbanden sich doch hier in der Regel gute Chancen mit der eigenen Leidenschaft. Die Corona-Pandemie hat hier zwar zu einem temporären Knick geführt, die Zukunftsaussichten sind aber weiterhin gut. Der DSSV spricht sogar von 15 Millionen Mitgliedern als realistisches Ziel bis 2025. Grund genug also den Fitnessmarkt also weiterhin für die eigene Existenzgründung in Betracht zu ziehen.
Früher konnte man ein Fitnessstudio einfach eröffnen und musste sich im Grunde keine größeren Gedanken machen. Die Kunden kamen fast wie von selbst. Heutzutage ist das natürlich vollkommen anders. Eine Existenzgründung will wohl durchdacht sein und verschiedenste Schritte sollte man durchlaufen, um nicht später wirtschaftlich „auf die Schnauze“ zu fallen. Einer der ersten und wichtigsten Schritte ist eine fundierte Marktanalyse.
Die Marktanalyse
Eine Marktanalyse macht grundsätzlich erstmal nichts anderes, anhand einer bestimmten Region (z.B. das Einzugsgebiet Ihres zukünftigen Fitnessstudios) den zugehörigen Markt zu erfassen. Ziel ist es, zu ermitteln, ob Ihre Gründungsidee lokal noch Potenzial besitzt, eventuell Änderungen nötig sind oder der Markt eventuell bereits erschöpft ist. Marktanalysen unterscheiden sich dabei teilweise erheblich in der Methodik, weswegen es nicht DIE Marktanalyse gibt. Sie muss immer auf das jeweilige Projekt angepasst werden.
Um Ihnen allerdings ein Feeling für das Vorgehen im Rahmen einer Marktanalyse vermitteln zu können, möchte ich Ihnen hier ein mögliches Vorgehen grob vorstellen. Grundsätzliche gestalten wir in unsere Analysen in vier Schritten, Einzugsgebiet, Markt, Konkurrenz und Potential, welche ich im folgenden Abschnitt kurz erläutern werde.
Das Einzugsgebiet
Bevor der lokale Markt analysiert werden kann, muss er erstmal definiert werden. Das Einzugsgebiet ist „ein räumlich umgrenzter Bereich, aus dem die Kunden stammen, die üblicherweise einen Handelsbetrieb aufsuchen". Das Einzugsgebiet eines Fitnessanbieters wird sinnvollerweise in Fahrzeit (mit dem Auto) gemessen und umfasst bis zu 15 Minuten (klassische Fitnessanbieter in urbaner Region) oder bis zu 20 Minuten (‚Special-Interest-Anbieter‘, klassische Fitnessanbieter in ländliche Region) Je nach lokalem Markt kann dies allerdings auch geringer ausfallen. Der Ausgangspunkt ist dabei der potenzielle Standort Ihrer geplanten Fitnessanlage.
Andreas M. Bechler ist Autor, Berater, Dozent und Podcaster in der Fitnessbranche. Daneben ist Andreas Sprecher des Arbeitskreise Fitnessbranche des VSD - Verband für Sportökonomie und Sportmanagement e.V. Sie können mit Andreas über LinkedIn in Kontakt treten: https://www.linkedin.com/in/andreasmbechler/
→ Konkret: Definieren Sie Ihr Einzugsgebiet und recherchieren Sie sämtliche Orte in entsprechender Reichweite
Es lohnt sich zur besseren Visualisierung das Einzugsgebiet grafisch darzustellen. Dies kann für die persönliche Einschätzung der Sinnhaftigkeit dieses erst mal rein quantitativ definierten Einzugsgebietes helfen. Gängige Maps-Programme ermöglichen in der Regel das händische oder automatisierte Zeichnen entsprechender Gebiete.
Der Markt
Nachdem Sie geklärt haben, wo Sie überhaupt den Markt analysieren wollen, können wir nun ins „Wie“ gehen. Wenn Sie einen lokalen Markt untersuchen wollen, müssen Sie sich die grundsätzliche Frage stellen, welche Faktoren relevant für einen regionalen Fitnessmarkt sind. Dies hängt auch stark von Ihrer Gründungsidee ab. Sie müssen sich also immer in Bezug zu Ihrem Vorhaben Gedanken machen, welche lokalen Faktoren Ihren Markt beeinflussen können.
Im Rahmen einer allgemeinen Analyse aus 2017 habe ich versucht, mit Hilfe der linearen Regression Marktfaktoren zu ermitteln, die das lokale Potential für einen Fitnessmarkt (ohne Fokus auf eine Spezialisierung) beeinflussen. Dabei konnte ich die folgenden Faktoren ermitteln, welche Sie auf jeden Fall berücksichtigen sollten:
- Bevölkerung: Höhere Einwohnerzahl führt zu höherem Anteil Trainierender, Niedrigeres Durchschnittsalter führt zu höherem Anteil Trainierender
- Urbanisierung: Groß-, Kleinstädte haben eher höherem Anteil Trainierender, ländliche Regionen eher niedrigeren Anteil Trainierender
- Wirtschaftskraft: Höhere Kaufkraft führt zu höherem Anteil Trainierender
→ Konkret: Recherchieren Sie die notwendigen Marktdaten für Ihr Einzugsgebiet, insbesondere Einwohnerzahl, Altersverteilung, Kaufkraft
Die Konkurrenz
Nun folgt der in meinen Augen spannendste Teil, Sie werfen Ihren Blick auf die lokale Konkurrenz. Auch hier gilt es erst mal das gesamte Einzugsgebiet nach den vorhandenen Anbietern “abzusuchen”. Die üblichen Suchmaschinen sind hier schon mal ein erster guter Ansatz. Auch lokale Branchenverzeichnisse können eine mögliche Quelle sein. Seien Sie sorgfältig, damit kein Konkurrent übersehen wird.
Wenn Sie die Konkurrenzanbieter gefunden haben, wollen Sie diese natürlich näher unter die Lupe nehmen. Damit Sie das aber zielgerichtet machen können, sollten Sie sich zuerst überlegen, nach welchen Kriterien Sie Ihre Konkurrenz betrachten wollen. Erstellen Sie also eine Profilvorlage mit Kriterien, nach denen Sie Ihre Konkurrenz betrachten wollen. Ausgangspunkte hierzu können Sie aus dem Kapitel “Anlagenstruktur” der DSSV-Eckdaten entnehmen. Typische Kriterien können zum Beispiel sein:
- Allgemeine Daten wie Anschrift, Kontaktdaten etc.
- Angaben zum Leistungsportfolio wie vorhandene Trainingsmöglichkeiten, Zusatzangebote etc.
- Angaben zum Vertrags- und Preismodell
- Angaben zur Mitgliederzahl und -struktur
Haben Sie Ihre Profilvorlage erstellt, dann ist es nun an der Zeit, die Profile der Konkurrenz mit Leben zu füllen. Mittlerweile können Sie viele Informationen bereits auf den Websites der Unternehmen finden. Nicht immer werden Sie dort vollumfänglich fündig, so dass eine weitere Recherche notwendig sein kann. Eine weitere Option könnte sein, im Rahmen eines sogenannten Mystery Calls am Telefon weitere Information über den Konkurrenzanbieter zu erhalten. Das Personal ist aber in der Regel im Falle von telefonischen Anrufen so geschult, dass diese versuchen werden, mit Ihnen ein Beratungsgespräch zu vereinbaren und Sie wenig bis keine Informationen am Telefon erhalten werden. Dementsprechend ist die letzte Option auch, dass Sie im Rahmen eines Mystery Shoppings vor Ort den Konkurrenten anschauen. Welchen Aufwand Sie hier betreiben wollen, müssen Sie selbst entscheiden.
→ Konkret: Recherchieren Sie Ihre lokalen Konkurrenzanbieter und untersuchen Sie diese anhand klar definierter Kriterien.
Das Potential
Im letzten Schritt folgt der entscheidende Teil. Nun soll ermittelt werden, welches freie Marktpotential innerhalb des Einzugsgebietes noch vorhandenen ist. Hierfür bedarf es einer auf den ersten Blick recht simplen mathematischen Berechnung:
Einwohnerzahl im Einzugsgebiet
* lokale Reaktionsquote
= lokales Marktpotential
- Mitglieder der regionalen Konkurrenzanbieter
= lokales freies Marktpotential
Die meisten Informationen dürften Sie in den vorherigen Schritten bereits ermittelt haben, so dass Sie diese quasi einfach einsetzen könnten. Das potenziell schwierigste Thema dürfte die lokale Reaktionsquote sein, also die Frage, wie hoch ist der Anteil Trainierenden in meinem lokalen Markt. Diese Quote gilt es nun herzuleiten.
Im Kapitel „Markt“ haben Sie bereits erfahren, welche Faktoren typischerweise einen lokalen Fitnessmarkt und somit die Reaktionsquote beeinflussen. Ein mögliches Vorgehen könnte damit sein, Sie nehmen die Reaktionsquote Ihres Bundeslandes gemäß DSSV-Eckdaten als Grundlage und passen diese anhand der genannten Faktoren an. Ist die Altersstruktur in Ihrer Region überdurchschnittlich hoch, könnte die Reaktionsquote niedriger zu setzen sein. Ist die Kaufkraft eher überdurchschnittlich oder befinden Sie sich in einer eher urbanen Region, könnte die Reaktionsquote wiederum höher anzusetzen sein. Sie merken schon, das ist keine exakte Wissenschaft, sondern sehr qualitativ. Bleiben Sie also eher konservativ in Ihrer Bewertung, um Ihr finales Ergebnis nicht zu optimistisch werden zu lassen.
Ob das mit Hilfe der lokalen Reaktionsquote nun ermittelte Ergebnis des freien lokalen Marktpotentials gut oder schlecht ist, kann nicht pauschal beantwortet werden. Ein Discount-Anbieter dürfte z.B. ein viel höheres notwendiges Marktpotential haben als ein Premium-Anbieter. Das ermittelte freie lokale Marktpotential kann somit nur im Zusammenhang mit Ihrem Vorhaben interpretiert werden.
→ Konkret: Bestimmen Sie Ihre lokale Reaktionsquote und berechnen Sie anhand der Formel oben (oder einer erweiterten / verbesserten Version) das noch freie lokale Marktpotential
Das dargestellte Vorgehen ist natürlich zwangsläufig stark verkürzt. Eine gute und eingehende Marktanalyse braucht Zeit und dementsprechend würde auch eine vollumfängliche Darstellung wahrscheinlich Bücher füllen. Denken Sie daher mit diesem Grundgerüst auch immer einen Schritt weiter, welche tiefergehende Analyse für Ihr Vorhaben nützlich sein könnte.
Tipps zur Marktanalyse
Marktanalysen sind nicht einfach durchzuführen. Es besteht viel Fehlerpotential und Sie stehen dauerhaft vor dem Problem unvollständiger Informationen. Sie können nun mal nicht alles wissen und auch nicht jede Information lässt sich einfach recherchieren. Dies im Hinterkopf behaltend, möchte ich Ihnen zumindest einige grundlegende Tipps mit auf den Weg geben, damit die eigene Marktanalyse Ihnen vielleicht etwas leichter fällt.
Tipp 1: Fragen Sie bei lokalen Verwaltungen statistische Daten an
Lokale Verwaltungen haben in der Regel ein Interesse daran, dass sich neue Unternehmen vor Ort ansiedeln. Scheuen Sie also nicht davor zurück, bestimmte Marktdaten, die Sie im Rahmen der eigenen Recherche nicht auffinden konnten, einfach mal dort anzufragen. In der Regel hilft man Ihnen dort gerne weiter.
Tipp 2: Nutzen Sie externe Hilfe
Gerade bei Analysen im Rahmen der Existenzgründung kann ein externer Blick interessant sein. Eine Person die eigenen Ergebnisse gegenchecken zu lassen oder eventuell sogar eine vollständige Analyse durch eine solche Person zu beauftragen, kann vor der Gefahr der rosaroten Brille auf Ihr Gründungsprojekt schützen.
Tipp 3: Machen Sie sich klar, dass es keine perfekte Analyse gibt
Marktanalysen haben zwei große Probleme. Zum einen werden Sie niemals alle Informationen mit vertretbarem Aufwand erhalten, um eine wirklich perfekte Analyse und damit exakte Ergebnisse zu bekommen. Sie werden immer Abstriche aufgrund unvollständiger Informationen machen müssen. Ebenso ist die Marktanalyse im Moment der Fertigstellung eigentlich schon wieder veraltet, dass sie nur eine Momentaufnahme sein kann. Nicht jede Entwicklung (z.B. die überraschende Eröffnung eines neuen Fitnessanbieters) ist unbedingt vorhersehbar. Behalten Sie den Markt also auch nach einer abgeschlossenen Marktanalyse immer gut im Blick.
Fazit
Marktanalysen sind komplex und sollten daher mit größter Sorgfalt durchgeführt werden. Fehler in einem so frühen Stadium der Existenzgründung kann weitreichende Auswirkung auf das gesamte Vorhaben haben. Bleiben Sie trotz der Komplexität am Ball. Vielleicht stoßen Sie ja durch Ihre Analyse auf das eine oder andere vollkommen unerwartete Ergebnis, was Ihnen im weiteren Gründungsprojekt sicherlich helfen wird.
Über Hashtag Fitnessindustrie
Hashtag Fitnessindustrie ist der Podcast über die deutsche Fitnessbranche mit all ihren Facetten und Akteuren. Er soll einen Wissenstransfer zwischen den Interviewgästen und dem Zuhörer zum Nutzen der ganzen Branche zu ermöglichen.
Aktuelle Trends und Entwicklungen sind ebenso Teil des Podcasts wie grundsätzliche strategische Fragen aus dem Tagesgeschäft von Fitnessanbietern.
Weitere Informationen: https://hashtag-fitnessindustrie.de