16 – 19 April 2026
Messegelände Köln

02. März 2022, von Olaf Tomscheit

Zukunft und Herausforderungen der Physiotherapie in Deutschland

Selbsständige Physiotherapeutin Kirsten von Maier im Interview

© Shutterstock

Die Selbstständigkeit ist Fluch und Segen zugleich. Einem ganzheitlichen Konzept stehen die meisten Patienten offen gegenüber. 

 

Kirsten von Maier ist selbstständige Physiotherapeutin und ein „alter Hase“. Sie hat neben ihrem Abschluss als Krankengymnastin 1988 weitere Qualifikationen, wie Osteopathie, Heilpraktiker für Physiotherapie, Systemik, medizinische Hypnose, Methoden der traditionellen chinesischen Medizin und vieles mehr. Sie hatte über 20 Jahre eine eigene Praxis und ist vor drei Jahren in eine Praxisgemeinschaft gewechselt. Sie behandelt vorwiegend Schmerzpatienten aus allen Fachbereichen, sowie Erwachsene, Jugendliche und Kinder. Ihr Anspruch ist der Blick auf die individuelle Problematik und den Patienten in seiner Gesamtheit zu erfassen.

FIBO: Kirsten, Du bist jetzt seit über 20 Jahren selbstständig. Was würdest Du als Deine größte Herausforderung in dieser Zeit beschreiben?

 

Kirsten: Ehrlich gesagt gab es immer wieder kleine und große Herausforderungen. Doch zwei der größten Herausforderungen waren definitiv die Praxisgründung in einer sehr versteckten Gegend in Düsseldorf und an einem völlig anderen Ort meines früheren Wirkungskreises. Ich war dort völlig unbekannt und musste bei Null starten und das mit einer damals neuen Idee die Trainingstherapie in die Physiotherapie zu integrieren. Das war damals völlig neu.

Die zweite große Herausforderung war dann die völlige Aufgabe der Kooperation mit der orthopädischen Praxis meines damaligen Mannes nach der Trennung. Ich musste mich also ganz neu auf meine eigenen Füße stellen, sozusagen ganz neu erfinden und nicht nur privat, sondern auch beruflich aus dem gemeinsamen Wirken lösen!

FIBO: Kannst Du Dir heute vorstellen eine Physiotherapiepraxis rein auf Basis von Rezeptabrechnungen zu betreiben?

 

Kirsten: Heute kann ich mir das leider gar nicht mehr vorstellen. Als ich anfing wollte ich eigentlich eine GKV Abrechnung bekommen, es wurde aber auf Grund der Räumlichkeiten nicht genehmigt, da dieses 400 Jahre alte Haus nicht die Kriterien erfüllte, die dafür nötig waren. So musste ich sehr schnell neue Wege beschreiten, um wirtschaftlich profitabel arbeiten zu können. 

 

Ich hatte schon einiges an zusätzlichen Ausbildungen absolviert, war aber auch gezwungen mich nicht darauf auszuruhen, sondern immer wieder neues zu erkunden, auszuprobieren und auch neue Ausbildungen abzuschließen. Gleichzeitig entsprach das auch zum Glück meiner eigenen Motivation, um wirklich individuell auf die Bedürfnisse der Patienten eingehen zu können und meinen eigenen Horizont immer wieder zu erweitern. Das wäre mit einer Kassenzugelassenen Praxis gar nicht so möglich gewesen und heute arbeite ich dadurch so individuell, dass es nicht mehr zur Debatte steht. Also war die damalige Absage der GKV mein Glück.

 

FIBO: Kirsten, Du hast auch Abschlüsse in Bereichen des Coachings und der mentalen Gesundheit. Wie setzt Du diese Ausbildung in der Therapie ein? 

 

Kirsten: Da halte ich es wie Hildegard von Bingen: „Drei Pfade hat der Mensch in sich, in denen sich sein Leben tätigt, den seiner Seele, den seines Leibes und den seiner Sinne“. Und ich habe schon früh erfahren, dass Gesundheit nicht nur vom Körper allein abhängt, so dass es selbstverständlich für mich war auch alle anderen Pfade zu beschreiten um wirklich „ganzheitlich“ tätig sein zu Können. 

Und ich danke allen Patienten für ihr absolutes Vertrauen, das sie mir entgegengebracht haben und immer noch bringen, wenn ich mal mit wieder mit etwas Neuem ankam und komme.

 

FIBO: Wie wichtig ist aus Deiner Sicht eine gerätegestützte Trainingstherapie für die Praxis.

 

Kirsten: Ich halte die Trainingstherapie für sehr wichtig. Es ist aber natürlich nicht alles. Es ist aus meiner Sicht immens wichtig, dass zu Beginn eine sehr gute Einweisung und Betreuung stattfindet. Es macht aus der Perspektive einer immer älter werdenden Gesellschaft sehr viel Sinn, dass wir unseren Körper entsprechenden Reizen aussetzen, um beweglich, so fit wie möglich und eigenständig unser Leben bis ins hohe Alter zu meistern. Ich nenne hier auch Sturzprophylaxe und Resilienz als weiter Effekte des Trainings. Da ich keinen eigenen Kraftraum mehr besitze, begleite ich auch selbst meine Patienten in Fitnessstudios. Frau muss einfach auch mal erfinderisch und flexibel sein.

 

FIBO: Die Digitalisierung kommt auch auf die Physiotherapie zu. Auf der einen Seite muss jetzt eine Telematikinfrastruktur betrieben und e-Rezepte abgerechnet werden. Auf der anderen Seite gibt es jede Menge neue Tools und Apps, die für die Physiotherapie interessant sein könnten.

 

Kirsten: Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich mich in der Tiefe noch nicht damit auseinandergesetzt habe. Ich habe darüber gelesen und weiß noch nicht was auf mich zukommt. Ich bin sehr gespannt und neugierig was die FIBO auf diesen Gebieten zu bieten hat und freue mich hier darüber informieren zu können. Natürlich haben auch die letzten zwei Jahre bei mir ihre Wirkung hinterlassen. Ich hatte im Patientenkontakt keinerlei Einbrüche, habe aber dennoch auch kleine Videos genutzt, um Patienten in dieser Zeit zu unterstützen.

 

Ich bin selbst mit einem Vortrag auf der FIBO vertreten und freue mich über die Herausforderung meine Sicht auf die Zukunft der Physiotherapie und neuer Methoden vorstellen zu dürfen.

 

Kirsten von Maier hält am Samstag um 11.15 Uhr den Vortrag „Bedarfsgerechte Erweiterung des Therapieangebotes durch zusätzliche Behandlungsmethoden“ und ist um 13.00 Uhr auch Mitglied im Expertentalk zum Thema: „Herausforderung Physiotherapie - Selbständigkeit und wirtschaftlicher Erfolg“.

 

Kirsten von Maier behandelt vorwiegend Schmerzpatienten aus allen Fachbereichen, sowie Erwachsene, Jugendliche und Kinder.