• 13 – 16 April 2023
  • Messegelände Köln

25. Oktober, von Prof. Dr. Sarah Kobel

Konsumverhaltensforschung: Mitglieder verstehen und binden

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Die Fitnessbranche ist auf einem guten Weg, sich von der Krise zu erholen. Während sich wichtige Kennzahlen wieder in eine positive Richtung entwickeln, zeigt sich aber auch, dass gerade ältere Mitglieder dem Training auch nach Aufhebung der Corona-Beschränkungen ferngeblieben sind. Das Kommunikationsverhalten der Fitnessstudios ist hierfür nicht allein verantwortlich. Es fehlt auch an tiefem Verständnis der Mitglieder. Doch nur wenn diese ganzheitlich in ihrem Denken, Fühlen und Handeln verstanden werden, können Betreiber von Fitnesseinrichtungen zielgruppengerecht und erfolgreich auf dem Fitnessmarkt agieren.

Die Eckdatenstudien zur deutschen und auch zur Schweizer Fitnesswirtschaft zeigen: Die Branche erholt sich von der Corona-Krise. Nach einem Einbruch in den vergangene zwei Jahren entwickeln sich wichtige Kennzahlen positiv: Mitglieder kehren ins Studio zurück, Neukunden wollen sich aktiv für ihre Gesundheit bewegen. 

Ältere Mitglieder bleiben häufiger fern

Dabei fällt allerdings auf: Das Durchschnittsalter der Mitglieder sinkt. Das durchschnittliche Alter der Fitnesstreibenden lag zum 31. Dezember 2021 bei 40,5 Jahren (DSSV, 2022), das ist der erste Rückgang seit 2016. Diese Entwicklung ist insbesondere auf das Fehlen älterer Mitglieder zurückzuführen. Ältere Menschen gelten als vulnerable Zielgruppe und werden seit langem ausdrücklich aufgefordert, sich so gut wie möglich vor COVID-19 zu schützen. So bleiben sie neben diversen anderen Aktivitäten auch dem für sie so wichtigen Training in Fitness- und Wellnesseinrichtungen fern. Als die Corona-Maßnahmen aufgehoben wurden, strömten wieder immer mehr Menschen in die Studios, ältere Menschen schlossen sich diesem Trend allerdings nicht an. Das liegt nicht nur an der immer noch hohen Inzidenz, sondern oft auch am (Kommunikations-)Verhalten der Fitnessanlagenbetreiber selbst.

Ist das Kommunikationsverhalten der Anlagen zielgruppenadäquat?

93,4 Prozent der Betreiber sind der Meinung, aufgrund der Corona-Pandemie ihren Social-Media-Auftritt verbessert zu haben – das ergab eine Betreibenden-Befragung durch die Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) im Juni 2021. Auch wenn dies im digitalen Zeitalter eine durchaus positive Entwicklung ist, fällt auf, dass die Kommunikationsmaßnahmen der Betreiber hauptsächlich, wenn nicht sogar ausschließlich, online stattfinden. Studiobetreiber, die nicht über die „klassischen“ Medien wie Zeitungen kommunizieren oder ihre Mitglieder telefonisch kontaktieren, könnten gerade ältere Mitglieder dadurch vernachlässigen. Der (Wieder-)Einstieg in eine Aktivität ist häufig der schwerste Teil. Fitnessbetreiber sollten daher ihre Mitglieder aktiv hierbei unterstützen und vor allem der älteren Zielgruppe einen einfachen Einstieg ermöglichen. Damit dies gelingt, muss das Problem aber erstmal erkannt werden. 

Mitglieder verstehen ist essenzieller denn je

Es ist wichtig zu verstehen, welche Motive einem Training zugrunde liegen. Diese Motive sollten auf die entsprechende Zielgruppe zugeschnitten sein und an die Rahmen der Kommunikationsstrategie angepasst werden. Gerade ältere Menschen könnten ganzheitliche Motive wie Krankheitsprävention oder den Erhalt einer gewissen Flexibilität als übergeordnete Treiber für ein Fitnesstraining sehen. Jüngere Menschen könnten hingegen Motive, die die körperliche Ästhetik betreffen, einen höheren Stellenwert beimessen. Derartige Vermutungen sollten aber unbedingt empirisch belegt und nicht einfach nur per se angenommen werden. Erkennt eine Fitnessanlage diese Motivwidersprüche zwischen den Altersgruppen nicht und wirbt dann mit Bildern, die auf Ästhetik abzielen, könnte dies zu einem ablehnenden Verhalten der älteren Menschen führen. Neben den Motiven gilt es außerdem Barrieren zu identifizieren, die Mitglieder daran hindern, ihr Training wieder zu beginnen. Für Betreiber ist es wichtig zu verstehen, ob ältere Mitglieder aufgrund fehlender Kommunikation seitens der Fitnessanlage schlichtweg nicht wissen, wie und unter welchen Bedingungen sie wieder trainieren können. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass ältere Menschen auch noch immer ein stark erhöhtes Sicherheitsbedürfnis haben. Dies sollte auch entsprechend kommuniziert werden. Nur wenn Barrieren wirklich identifiziert werden, können Fitnesseinrichtungen Barrieren mit der richtigen Kommunikation abbauen.

Konsumverhaltensforschung in der Fitnessbranche

Die Konsumverhaltensforschung hilft, die Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen von Mitgliedern und potenziellen Kunden zu verstehen. Dies ist eine wichtige Grundlage für die Kommunikation, mit dem Ziel Mitglieder (zurück-)zu gewinnen und langfristig zu binden.

Das Konsumverhalten beschreibt das beobachtbare äußere und das nicht beobachtbare innere Verhalten von Menschen beim Kauf und Konsum wirtschaftlicher Güter. Im weiteren Sinne umfasst es auch das Verhalten der Letztverbraucher von materiellen und immateriellen Gütern in einer Gesellschaft (Kroeber-Riel & Gröppel-Klein, 2019). Damit stellen auch Fitnesstreibende Konsumenten dar, die die Dienstleistung „Fitness“ konsumieren. Mithilfe der Konsumverhaltensforschung gelingt es, das Warum und das Wie eines Verhaltens zu erklären. Während in der Konsumgüterindustrie die bedeutende Rolle dieser Disziplin längst erkannt worden ist (man denke hier an zahlreiche Untersuchungen aus dem Bereich der Werbewirkungsforschung), fehlt es in der Fitnessbranche vielfach noch an dem Verständnis des Mehrwertes. Doch nur, wenn die Erwartungen und Wünsche der Kundschaft erfasst werden, können diese auch im Marketing, in der Kommunikation, aber auch in den Leistungsportfolios berücksichtigt werden. Konkret bedeutet dies, dass für die jeweiligen Altersgruppen genau diejenigen Angebote im Leistungsportfolio der Fitnessanlage vorhanden sind, die die Erwartungen der Zielgruppe auch erfüllen. Konsistent mit den oben exemplarisch angeführten Motiven würde dies zum Beispiel bedeuten, dass für Ältere rehabilitatives Training, für Jüngere hingegen ein intensives Training kombiniert mit einem zielorientierten Ernährungsplan angeboten wird. Und über die entsprechende zielgruppenadäquate Kommunikation kann dieses Angebot dann auch nach außen vermittelt werden. 

Mit gutem Beispiel voran gehen

Die DHfPG hat in Kooperation mit dem Gesundheitsministerium des Saarlandes und dem Saarländischen Verband für Prävention und Gesundheit (PuGiS) e. V. sowie mit der Unterstützung des Arbeitgeberverbandes deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV) e. V die „Fitmach-Aktion: fit & gesund im Saarland“ ins Leben gerufen. Diese ermöglicht 1.000 Menschen mit fehlendem oder unzureichendem Bewegungsverhalten den Zugang zu einem regelmäßigen Training. Die Aktion wurde sowohl über die Online-Kanäle der DHfPG, des Ministeriums und des PuGiS e. V. wie auch in Presseberichten in diversen Zeitungen mit angegebenem Telefonkontakt kommuniziert. Dadurch konnten Personen zwischen 16 und 90 Jahren als Teilnehmende gewonnen werden. Das Modellprojekt wird während der gesamten Projektlaufzeit wissenschaftlich evaluiert, sodass wichtige Erkenntnisse über die Motivation für ein Training, gerade auch für ältere Menschen, erlangt werden können. Die Ergebnisse wurden, mit konkreten Handlungsempfehlungen für Fitnessanlagen, am 7. Oktober auf dem diesjährigen Aufstiegskongress im Mannheimer m:con Congress Center Rosengarten präsentiert.

Darüber hinaus erhebt die DHfPG aktuell weitere Daten, um der Branche künftig mehr und mehr Einblicke in das Denken, Fühlen und Handeln ihrer (potenziellen) Mitglieder zu ermöglichen und so langfristig eine Basis für eine erfolgreiche Mitgliedergewinnung und -bindung zu schaffen.

 

Prof. Dr. Sarah Kobel

Prof. Dr. Sarah Kobel promovierte am Institut für Konsum- und Verhaltensforschung an der Universität des Saarlandes. Seit Oktober 2018 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der DHfPG und leitet dort seit Januar 2021 die Abteilung Marktforschung. Seitdem hat sie für Forschungsprojekte mehrere Marktbefragungen unter Studiobetreiber und Fitnesskunden begleitet.

 

Dieser Artikel erschien zuerst im fitness Management.