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13. Dezember 2022, Anke Sörensen & Jürgen Wolff
Erfolgreiches Innovationsmanagement in Fitnessstudios
Innovationen in Unternehmen werden immer wichtiger. Zeit für einen Abgleich zwischen dem eigenen Anspruch von Unternehmen und der Realität: Was hat sich in den letzten zwei Jahren im Angebot der Fitness- und Gesundheitsstudios geändert? Wie innovativ Studiobetreiber auf Digitalisierung, Trainingstechnologie, Vertragsgestaltung und Mitarbeiterführung reagieren und welche Erwartungen Mitglieder an ihre Studios haben, zeigt der folgende Artikel.
Die Coronapandemie hat die Fitness- und Gesundheitsbranche in den letzten zwei Jahren dazu gezwungen, quasi über Nacht digitale Trainingsalternativen inkl. Infrastruktur zu entwickeln. Dafür hat sie äußerst kreativ und entschlossen ihre Möglichkeiten genutzt – trotz erheblicher Einnahmeverluste und großer Unsicherheit wegen der ständig geänderten Hygieneauflagen.
Innovationen gehörten seit jeher zur „DNA“ der Branche. Sie ist lifestyle- und trendaffin und darin geübt, ihren Mitgliedern regelmäßig Neues anzubieten. Genau das ist aber der Punkt: Der Erfolg bei der Einführung von Innovationen ist kein Zufall, sondern fußt auf Branchenkenntnis, Kundennähe und Erfahrung. Doch wie managen Fitness- und Gesundheitsanbieter Innovationen erfolgreich und setzen diese in die Praxis um?
Erwartungen der Mitglieder steigen
Die Ansprüche der Kunden an ihre Studios sind in den letzten zwei Jahren gewachsen. Digitale Angebote sind auch nach Wiedereröffnung der Studios elementar. Ebenso wichtig ist die Flexibilität in der Vertragsgestaltung, also kurzfristig kündbare Mitgliedschaften. Kunden fordern eine fachlich fundierte Trainingsbetreuung, die zielgerichtet und möglichst individuell ist und den Leistungsfortschritt nachvollziehbar dokumentiert. Die Zahl der Herausforderungen steigt und kommt in immer kürzeren Intervallen auf die Entscheidungsträger der Branche zu.
Innovationsmanagement nimmt einen hohen Stellenwert ein
Innovationsmanagement nimmt in den Studios einen wesentlichen Raum ein, auch wenn die Umsetzung je nach Größe der Unternehmen variiert. Während in großen Ketten wie der Best Fit Group ganze Projektteams für Innovationsmanagement zuständig sind, ist es in mittleren Ketten wie dem Sports Club Teil der „Unternehmens-DNA“. In kleineren Clubs wie dem Enjoy Fitness gleicht es dagegen einer One-Man-Show. Clubmanager Norman Heller liefert die Ideen und stimmt deren Umsetzbarkeit mit seinem erfahrenen Geschäftsführer Dr. Hartmut Klose ab.
„Die Gesellschaft lebt in einem ständigen Wandel, Stillstand wird schnell bestraft und kann höchst erfolgreiche Unternehmen in kürzester Zeit zu Fall bringen“ fasst Stephan Schulan, CEO BestFit Group, die Situation zusammen. „Im Gegensatz dazu können wir uns durch ein stringentes Innovationsmanagement kontinuierlich weiterentwickeln und für die Zukunft justieren.“
Innovationentwicklung schließt alle Mitarbeitende mit ein
Unabhängig von der Größe der Unternehmen legen alle vier Interviewpartner großen Wert darauf, dass alle Mitarbeitenden zur Ideenfindung beitragen. Denn alle profitieren von einer offenen Vorschlagskultur und flachen Hierarchien. Dr. Hartmut Klose unterstreicht: „Uns ist wichtig, dass die Beschäftigten jederzeit mit ihren Ideen zu uns kommen können. Dann wird ein Vorschlag analysiert und besprochen, ob und wie daraus ein Projekt generiert werden kann.“ Auch Alexander Sosa, Inhaber der Sports Clubs, betont: „Innovation muss auf allen Hierarchiestufen stattfinden. Dafür ist ein freundliches und angstfreies Miteinander wichtig. Auch die Förderung und Entwicklung von Mitarbeitenden hat unter diesem Aspekt einen wichtigen Stellenwert.“
Innovationskultur mit Prozessen und Maßnahmen
Schließlich sind es die Teams, die mit den Mitgliedern in engem Kontakt und Austausch stehen und daher wertvollen Input liefern. Die Mitarbeitenden sind meist jünger als die Clubbetreiber und häufig erfahrener im Umgang mit Technologie, Digitalisierung und Social Media.
Für Alexander Sosa sind regelmäßige Mitarbeitendenmeetings und Weiterbildungsmaßnahmen sowie der kontinuierliche Austausch mit der Industrie von zentraler Bedeutung. Nur so können Prozesse im Unternehmen sowie dessen Ausstattung regelmäßig und zielgerichtet geprüft werden. Feedback seiner Kunden schenkt er besondere Aufmerksamkeit.
Die erfolgreiche und nachhaltige Umsetzung im täglichen Betrieb ist laut Stephan Schulan viel schwieriger, als Innovationsprozesse „am Reisbrett“ zu entwickeln. Entsprechend wurden bei BestFit feste Prozess- und Ablauftools installiert, die es dem Team ermöglichen, alle Unternehmensebenen einheitlich zu informieren und abzuholen. Spezielle Teams betreuen und setzen die Innovationen gemeinsam um: „Wir leben eine sehr offene Vorschlagskultur und freuen uns über jede Idee zur Optimierung und Innovation – unabhängig davon, für welchen Bereich und von wem aus unserem Team sie kommt.“
Team als Erfolgsfaktor
Im Enjoy Fitness sind im Rahmen der Vorschlagskultur monatlich fest terminierte Meetings eingeplant. „Unsere Mitarbeiter können jederzeit anfragen, wenn Themen von ihrer Seite kommuniziert werden müssen. Es werden fortwährend Ideen und Projekte besprochen und analysiert, die die Mitarbeitenden entwickelt oder deren Umsetzung sie sich vorgenommen haben. Die Mitarbeitenden sind sehr stark eingebunden, weil sie gut vernetzt und aufgrund ihres Alters näher am Puls der Zeit sind als wir in der Leitung.“
Dabei ist die Rückbesinnung auf den Kern der Fitnessdienstleistung der wichtigste Schritt: „Die Kunden und ihre Wünsche sind unser Maßstab“, betont Alexander Sosa. „Dafür müssen wir uns ständig weiterentwickeln, neue Ideen haben und neue Techniken ausprobieren.“
Innovation dank Mitgliederbindung
„Aus meiner Sicht wird es immer wichtiger, die Mitglieder emotional an die Clubs zu binden und eine möglichst individuelle und regelmäßige Ansprache zu ermöglichen. Wir bauen hier momentan ein eigenes CRM, Customer Relationship Mangagement, auf und implementieren ein CRM-Tool, um einen noch intensiveren und zielgerichteteren Austausch mit den Mitgliedern zu ermöglichen“, sagt Stephan Schulan. Dabei ist eine Erkenntnis für alle Studios wichtig: „Wir dürfen die Beziehung zu unseren Kunden nicht nur auf die Trainingsbesuche reduzieren, sondern müssen Teil des täglichen Lebens unserer Mitglieder werden.“
Alle Unternehmensbereiche auf dem Prüfstand
Digitalisierung, Automatisierung, Gamification und Infotainment sind nur einige der Themen, die auch der Sports Club in Sachen Innovationsmanagement auf seiner Agenda hat. „Die Ansprüche steigen in allen Altersgruppen. Wir müssen noch besser auf die Kunden und ihre Bedürfnisse hören“, sagt Alexander Sosa. „Es geht darum, Dinge für sie einfacher und interessanter zu machen, beispielsweise in der Gerätetechnologie.“
Innovationen bei Trainingsangebot und Vertragslaufzeiten
BestFit hat aus seinen Umfragen die Erkenntnis gewonnen, dass sich die Trainingsmotivation verändert hat: „Der Faktor Gesundheit ist etwas mehr in den Vordergrund gerückt.“ Gleichzeitig sind die Neumitglieder jünger geworden. Aktuell melden sich vor allem 16- bis 28-Jährige neu bei den BestFit-Clubs an. Dementsprechend wächst die Nachfrage nach Functional Training, Free-Weight-Bereiche vergrößern sich und die Nutzungszahlen der eigenen App und anderer digitaler Produkte steigen. Als Resultat daraus erweitert und intensiviert BestFit die Marketingstrategie auf die jüngere Zielgruppe. Das betrifft sowohl die Art der Ansprache, die gewählten Werbekanäle als auch die Anpassung der Vertragslaufzeiten auf mehr Flexibilität.
Digitale Mitarbeiter mit „360° Coach“
Von den drei befragten Parteien ist das Enjoy Fitness das kleinste Studio, braucht sich aber in Sachen Innovationsmanagement nicht zu verstecken. Ein rigoroses Innovationsmanagement ist mit zwei Clubs zwar gewünscht, aber nicht möglich. „Das hält uns aber nicht davon ab, nach Innovationen zu schauen oder sie selbst im Rahmen unserer Möglichkeiten zu liefern“, so Norman Heller. Gemeinsam mit Dr. Hartmut Klose verfolgt er das Ziel, möglichst viele Mitglieder zurück ins Training zu bringen. Dafür brauchen sie vor allem Manpower. Mithilfe von Sebastian Riehle, Spezialist für Messaging Automation, haben sie deshalb den „360° Coach“ entwickelt, den sie auch vertreiben. Das automatisierte Tool zur Kundenbindung und Neukundengewinnung funktioniert über WhatsApp-API und spart Personalressourcen. Diese Variante hat nichts mit der privaten Nutzung von WhatsApp gemein und ist komplett DSVGO-konform. Über den „360° Coach“ können die Mitglieder 24 Stunden am Tag Termine vereinbaren, mit Trainern kommunizieren sowie Newsletter, Informationen und Umfragen erhalten und Feedback geben. Als zusätzlichen Motivationsanreiz können sie für jedes Training Punkte und Prämien sammeln. Und falls ein Mitglied drei Wochen lang nicht zum Training erschienen ist, bekommt es automatisch eine Erinnerung.
Mehr Zeit für persönliche Betreuung
„Dieses Tool ist für alle Fitnessstudios hochinteressant. Überall in der Branche haben wir die gleichen Bedürfnisse, was Kundenbetreuung, Motivation, Retention und Neumitgliedergewinnung angeht“, sagt Clubmanager Norman Heller, der die Idee zum Coach hatte. „Alle wichtigen Informationen, die ich als Fitnessstudio an meine Mitglieder weitergeben möchte, kommuniziert der digitale Coach. Wir nutzen ihn jetzt seit sechs Monaten und bekommen durchweg positives Feedback. Die Öffnungsrate der Nachrichten liegt bei über 90 Prozent. Es ist toll zu sehen, wie das Tool unabhängig vom Alter angenommen wird. Da holt sich die 70-Jährige ebenso ihren Eiweißshake zur Belohnung ab wie der 20-Jährige vor seinem Freund mit seiner Goldmedaille prahlt. Den Erfolg dieser spielerischen Motivationsgeschichten zu erleben macht einfach Spaß!“
Der wichtigste Benefit für Studios liegt aber darin, die Telefonzeiten zu reduzieren. Trainer haben so mehr Zeit für die eigentliche Mitgliederbetreuung und -bindung auf der Fläche und im Kurs. Der soziale Kontakt, darüber herrscht in der Branche und Forschung ein breiter Konsens, ist es schließlich, der den Kunden während der Pandemie bei ihrem Trainingserlebnis am meisten gefehlt hat.
Der Blick über den Tellerrand
Neben der Befragung der Mitglieder bietet die Fitness- und Gesundheitsbranche eine große Auswahl an Quellen für kreativen Input und Neuheiten: Messen, Kongresse, Netzwerk- und Branchentreffen sowie Fachmagazine.
„Alle genannten Punkte sind von Bedeutung“, sagt Alexander Sosa. „Über Fachmagazine erhalte ich Informationen über neue Geräte oder Systeme. Auf Messen kann ich diese dann ausprobieren. Branchentreffen sind für den Austausch wichtig. Letztendlich haben wir alle das gleiche Ziel und arbeiten an einem gemeinsamen Projekt: Die Erhöhung des Kundennutzens.“
Stephan Schulan sieht größere Chancen auf gewinnbringende Ideen zu stoßen, je mehr Inspiration er bekommt. „Neben dem intensiven Austausch mit unseren Teams als Multiplikatoren stehen wir in engem Kontakt zu tollen Kollegen aus der Branche, nehmen aktiv am Verbandsleben teil und schätzen Branchentreffen wie MEET THE TOP. Fachmagazine gehören ebenso zur täglichen Lektüre. Hinzu kommt der aus meiner Sicht enorm wichtige Blick ‚über den Tellerrand‘ der Fitnesswelt durch die Teilnahme an branchenübergreifenden Veranstaltungen, Kongressen und einem stetigen bilateralen Austausch mit unserem Netzwerk.“
Clubmanager Norman Heller pflegt ein umfangreiches Netzwerk auf Social-Media-Plattformen. „Über perspektivische Digitalisierungsbereiche für Betriebs- sowie Empfehlungssysteme und Marketing bin ich so immer up to date. Wenn sich gerade irgendwo auf der Welt jemand etwas Tolles überlegt hat, kann ich ruckzuck Kontakte aufbauen, mehr Informationen finden und Schnittstellen aufbauen.“
Wo die Reise hingeht
„Es findet ein Wandel statt, hin zur Digitalisierung und zu innovativen Trainingsmaschinen, die stylischer sind und auch ein junges Publikum ansprechen“, ist Dr. Hartmut Klose überzeugt. „Wir glauben, dass der Mix aus Digitalisierung der Trainingsgeräte und aus Betreuung im klassischen Training auf jeden Fall in Zukunft weiter bestehen wird. Das gilt auch für Prävention und Reha.“ Norman Heller fügt hinzu: „Mit hochwertigen Apps und Trainingstools im Studio, außerhalb des Studios, vorm Sofa, auf dem Sofa oder Outdoor, wird alles vernetzt – da geht die Reise hin. Bald wird man wirklich alle Freizeitaktivitäten mit dem Fitnessstudio kombinieren können.“
„Wir müssen den Anreiz erhöhen und Hürden abbauen. Die Kunden möchten alles einfach, schnell und ohne Komplikationen – im Idealfall noch mit einem Belohnungseffekt“, fasst Alexander Sosa zusammen. „Den bietet das Training an sich schon, aber wir arbeiten auch an Kundenbindungs- und Empfehlungsprogrammen, um die Belohnung noch sichtbarer zu machen. Mitglieder- und Mitarbeitendenbefragungen, die Umsetzung der dadurch erhaltenen Ergebnisse und die Schaffung einer Innovationskultur sind hier die Schlüsselelemente.“
Fazit
Wer sich nicht weiterentwickelt, geht die Gefahr ein, vom Markt zu verschwinden. Unternehmen sind heute gefordert, sich mit kontinuierlichem Innovationsmanagement weiterzuentwickeln und ihre Dienstleistung an die Erfordernisse eines sich stetig wandelnden Marktes anzupassen. Dabei hat sich für viele Unternehmer bewährt, auch „über den Tellerrand“ zu blicken, denn die Fitnessbranche kann viel von anderen Dienstleistern wie beispielsweise der Systemgastronomie über die Befriedigung von Kundenbedürfnissen lernen.
Die wichtigsten Faktoren für die Veränderungen der Zukunft sind die hybride Trainingswelt, Digitalisierung, Technologisierung und Modelle für flexible Studiomitgliedschaften.
Dieser Artikel erschient zuerst im fitness Management.