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22. November 2022, von Andreas M. Bechler
Schritt für Schritt als Fitnessstudio zum BGM-Anbieter
Eine alternde Gesellschaft und nicht zuletzt auch die Corona-Pandemie hat das betriebliche Gesundheitsmanagement (kurz: BGM) immer wichtiger werden lassen. Dementsprechend verwundert es wenig, dass mittlerweile auch die Fitnessbranche auf diesen Zug aufspringt und „BGM als Chance” (Zitat von Refit Kamberovic in den DSSV-Eckdaten 2022) für unsere Branche sieht. Insgesamt geben 41,2 Prozent der deutschen Fitnessanbieter BGM als Teil ihres Leistungsangebots an (Quelle: DSSV-Eckdaten 2022). Wie Fitnessstudios das eigene BGM-Angebot Schritt für Schritt aufbauen können, erklärt der folgende Artikel.
BGM – Bedeutung und Abgrenzung
Ein Blick in den Präventionsbericht des Spitzenverbands der Krankenkassen zeigt, dass vor der Pandemie die Anzahl der mit betrieblicher Gesundheitsmanagement erreichter Betriebe fast stetig angestiegen ist.
Abbildung: Mit betrieblicher Gesundheitsförderung erreichte Betriebe / Standorte (entnommen aus Präventionsbericht 2021).
Auch wenn im Corona-Jahr 2020 ein Einbruch zu erkennen ist, lässt dies nicht zwingend auf ein nachlassendes Bewusstsein für das Thema bei Arbeitgebern zurückführen. Vielmehr kann die Senkung der Betriebe mit einer durch die Pandemie erschwerte Vor-Ort-Betreuung erklärt werden.
Betriebliches Gesundheitsmanagement ist auch in Zukunft besonders wichtig. Dabei ist allerdings entscheidend, dass Studios beim Aufbau eines eigenen BGM-Angebots zwischen BGM und der Erreichbarkeit der Betriebe durch betriebliche Gesundheitsförderungsmaßnahmen (kurz: BGF) unterscheiden.
BGM wird häufig als „ein Managementprozess” bezeichnet (vgl. Schäfer & Schaff). Es umfasst die vollumfängliche „Planung, Steuerung und Durchführung aller Aktivitäten der Gesundheitsprävention und Gesundheitsförderung innerhalb eines Betriebes”. Ein BGM ist damit der Oberbegriff für alle „verschiedenen, auf Gesundheit ausgerichteten Teilgebiete.“
BGF ist in diesem Konstrukt nur ein Teilgebiet (neben Arbeits- & Gesundheitsschutz sowie dem betrieblichen Eingliederungsmanagement) des BGM. Oft nutzen Betriebe allerdings Begriffe wie „Gesundheitstage, Gesundheitskurse oder der kostenlose Obstkorb” (vgl. Schäfer & Schaff) als BGM. Es besteht schnell ein Missverständnis bzgl. dieser Disziplin. Entsprechend darf die Zahl von 41,2 % der Fitnessstudios mit einem wirklichem BGM-Angebot, welches die vorherige Definition erfüllt, durchaus kritisch hinterfragt werden. In der Mehrheit der Fälle ist vermutlich eher von BGF-Angeboten die Rede.
Die vier Schritte zum BGM-Anbieter als Fitnessstudio
Nach dem einheitlichen Verständnis für das Thema BGM geht es im nächsten Schritt um die Schaffung eines entsprechenden Angebots.
Abbildung: Die 4 Schritte eines BGM-Angebots (eigene Darstellung).
(1) BGF-Maßnahmen über Dienstleister als Sub-Unternehmer
Zu Beginn kann das Thema BGM schnell überfordern. Für Fitnessstudiobetreiber empfiehlt sich daher ein leichter Einstieg. Eine Möglichkeit ist, sich einem BGM-Dienstleister als Subunternehmer anzuschließen. In dessen Auftrag können Arbeitgeber selbst oder die eigenen Mitarbeiter Gesundheitstage oder ähnliche Maßnahmen im Unternehmen durchführen, dafür entsprechend entlohnt werden und die Grundzüge des BGMS erstmal in Ruhe kennenlernen.
Ein Vorteil der Arbeit als Subunternehmer ist, dass sich der Dienstleister um die Abwicklung kümmert, Checklisten und weitere Unterlagen zur Verfügung stellt und rechtliche Hürden (insbesondere das notwendige Ausbildungsniveau der Mitarbeiter) kennt. Darüber hinaus entstehen durch den Dienstleiter weitere Einnahmen.
→ Ziel: Kennenlernen von BGM bzw. BGF
(2) BGF-Maßnahmen selbst als direkter Anbieter
Haben Betreiber ausreichend Erfahrungen mit BGF-Maßnahmen als Subunternehmer gesammelt, können sie sich die Frage stellen, inwiefern sie nicht selbst für die regionalen Unternehmen für BGF-Maßnahmen als Dienstleister zur Verfügung stehen möchten. Dies zieht aber einen “Rattenschwanz” an Folgetätigkeiten nach sich. Nun muss jeder selbst mit den Krankenkassen arbeiten, über welche entsprechende BGF-Maßnahmen in der Regel abgerechnet wird. Auch ist die Erstellung und adäquate Durchführung entsprechender Konzepte für verschiedenste BGF-Maßnahmen notwendig. Der eigene Aufwand wird demnach deutlich umfangreicher.
Der Vorteil ist hierbei allerdings, dass Unternehmen unter dem eigenen Namen auftreten und damit auch indirekt für die eigene Anlage werben. Außerdem lernen sie die Arbeit im Zusammenspiel mit den Krankenkassen kennen, welche im BGM-Geflecht wesentlicherPlayer darstellen und damit unverzichtbar für die eigene Arbeit sind.
→ Ziel: Erste eigene Erfahrungen als direkter Anbieter
(3) Aufbau von eigenen Firmenkooperationen
Durch die Arbeit im Schritt (2) können Betreiber erste direkte Kontakte zu den regionalen Unternehmen aufbauen. Diese gilt es weiter zu intensivieren. Hierfür bietet sich das Modell von Firmenbeteiligungen an den Mitgliedschaftskosten an, wie es auch die sogenannten Sportaggregatoren anbieten. Theoretisch wäre das bis zu einem Betrag von 600 Euro im Jahr (bzw. 50 Euro im Monat) möglich (Deutschland, letzter Stand von 2021, Betrag kann sich mit der Zeit ändern). Sinnvollerweise übernimmt der Arbeitgeber aber nur einen Teil des Mitgliedsbeitrages und belässt einen Teil weiterhin beim Arbeitnehmer bzw. dem Mitglied.
Die erfolgreiche Umsetzung dieser Stufe erfordert eine Änderung der eigenen Organisationsstruktur. Es wird ein Team benötigt, das sich um die Gewinnung und Bindung der regionalen Firmen für entsprechende Kooperationen kümmert. So entsteht ein Key Account Management im eigenen Unternehmen.
Der Vorteil dieser Stufe liegt auf der Hand. Zum ersten Mal haben Mitarbeiter direkten Einfluss auf das eigene Kerngeschäft, das Fitnessstudio. Mitarbeiter der regionalen Firmen werden zu eigenen Mitgliedern und damit stärker im Kosmos des Studiums verankert. Dadurch entsteht ein großer Schritt zu DEM Gesundheitsdienstleister für die regionale Firmenlandschaft. Diese Stufe stellt eine wichtige Voraussetzung für die letzte Stufe (4) dieses Modells dar.
→ Ziel: Enge Zusammenarbeit mit Unternehmen aus der Umgebung
(4) Etablierung als Berater für BGM
Die letzte Stufe in diesem Modell stellt die Königsdisziplin dar. Es geht darum, den Managementprozess zur „Planung, Steuerung und Durchführung aller Aktivitäten der Gesundheitsprävention und Gesundheitsförderung innerhalb eines Betriebes” zu begleiten. Dies verändert die eigene Arbeit in der Zusammenarbeit mit den regionalen Unternehmen enorm. Mitarbeiter werden zu Unternehmensberatern, mit einem deutlich größeren Einfluss auf das Unternehmen.
Unternehmensberatung bedingt dabei im Speziellen eine Sache. Ab jetzt arbeiten Betreiber „auftragsindividuell” (vgl. Definition von Lippold), sodass diese Stufe keine allgemeine Erläuterung mehr möglich macht. Es gilt, spezifische BGM-Konzepte für das einzelne Unternehmen zu erarbeiten. Die Herausforderung an die Dienstleistung steigt enorm.
Die Vorteile dieser finalen Stufen können umfangreich sein. Ab hier findet die Arbeit im Rahmen eines auskömmlichen Zusatzgeschäftes für das eigene Kerngeschäft statt. Jetzt entsteht ein eigenes Business, welches entsprechend eigenständig zu handhaben ist. Tagessätze, welche in einer Funktion als Unternehmensberater erzielt werden können, heben sich deutlich von den bisherigen Stufen ab.
→ Ziel: Etablierung als externer Berater mit höherem Umsatzpotenzial
Ein Stufenmodell bietet immer auch die Möglichkeit, auf einer bestimmten Stufe stehen zu bleiben, sofern Unternehmen nicht mehr weitergehen möchten. Dies ist möglich und überhaupt nicht verwerflich. Fitnessstudios müssen diese Schritte nicht zwingend einzeln durchlaufen. Je nach Vorerfahrung können sie auch einzelne Schritte überspringen. Für Betreiber, die mit BGM starten und strategisch sowie nachhaltig vorgehen möchten, ist das Modell durchaus hilfreich, um BGM langfristig zu etablieren.
Fazit
Das betriebliche Gesundheitsmanagement ist vielseitig. Fitnessstudios sollten daher Schritt für Schritt vorgehen, um das eigene Leistungsportfolio langfristig um dieses Angebot anzureichern. Schaffen Betreiber eine nachhaltige Etablierung, so können sie nicht nur eine Möglichkeit für direkte Zusatzumsätze geschaffen. Auch über eine erleichterte Kundengewinnung und -bindung freut sich die eigene wirtschaftliche Bilanz sicherlich sehr.
Quellen:
Haufe Online Redaktion (2021): “Steuer- und beitragsfreie Gesundheitsförderung durch den Arbeitgeber”
Kamberovic, Refit / Kündgen, Florian / Fütterer; Sabrina / Hollasch, Karsten / Ludwig, Stefan / Rump, Christian / Capelan, Ralf / Kobel, Sarah / Marx, Janosch (2022): “Eckdaten der deutschen Fitness-Wirtschaft”, Hamburg
Lippold, D. (2018): “Die Unternehmensberatung: Von der strategischen Konzeption zur praktischen Umsetzung”, Springer Gabler, München
Schäfer, Stefanie / Schaff, Arnd (2022): “Nachhaltiges Betriebliches Gesundheitsmanagement im Handwerk”, MA Akademie Verlags und Druck-Gesellschaft mbH, Essen
Schempp / Nadine, Römer / Karin (2021): “Präventionsbericht 2021”
Autor
Andreas M. Bechler ist Autor, Berater, Dozent, Podcaster und YouTuber in der Fitnessbranche. Mit seinem Podcast und YouTube-Kanal ‘Hashtag Fitnessindustrie’ verfolgt er das Ziel, einen Wissenstransfer innerhalb der Fitnessbranche zu ermöglichen. Aktuelle Trends und Entwicklungen sind ebenso Teil des Contents wie grundsätzliche strategische Fragen aus dem Tagesgeschäft von Fitnessanbietern. Weitere Informationen: https://hashtag-fitnessindustrie.de