5. Oktober 2021, von Herman Rutgers

Fitnessbranche: Mit großen Schritten in Richtung Erholung

Deutschland, Frankreich oder Spanien: Wo steht der europäische Fitnessmarkt aktuell? Herman Rutgers von EuropeActive mit länderbezogenen Daten und Fakten, die Mut machen, und einen Blick auf die Betreiber. 

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Die europäische Fitnessbranche erholt sich. Darauf deuten Daten hin, die kürzlich von führenden Branchenplayern und diversen Studien einzelner Länder veröffentlicht wurden. Allen voran der jährliche European Health & Fitness Market Report, der im Juni 2021 gemeinsam von EuropeActive und Deloitte veröffentlicht wurde. Darin zu lesen: Die Lage der europäischen Fitnessbranche im Coronajahr 2020. Im Vergleich zum Rekordjahr 2019 mussten teils herbe Rückgänge dokumentiert werden. So sanken die Einnahmen im Vergleich zum Vorjahr um 33 Prozent und die Mitgliederzahlen um 15 Prozent. Allerdings ist diese Entwicklung eindeutig auf die coronabedingten Studioschließungen zurückzuführen, von denen Betreiber in den meisten Ländern durchschnittlich Zweidrittel des Jahres betroffen waren. 

 

Lockdown statt Neujahrsgeschäft

2021 wurde die Situation sogar noch brenzliger. Denn auch wenn seit Juni das Studiobusiness mit einigen Einschränkungen wieder aufgenommen werden durfte, so war der Jahresbeginn von Lockdowns geprägt. Diese zogen sich in den meisten Ländern über fünf Monate hin. Und das ausgerechnet am Anfang des Jahres, einer Zeit, die traditionell für die Mitgliedergewinnung entscheidend ist. 

 

Corona zum Trotz: Gesamtzahl der Studios in Europa stabil

Trotz der widrigen Bedingungen waren die Verluste der Studios – mit Blick auf die Gesamtzahl – überraschend gering. Zwar mussten einige Studios u.a. aufgrund von Insolvenz schließen, dafür öffneten aber auch neue Einrichtungen. Dank dieser dynamischen Entwicklung sank die Studio-Gesamtanzahl “nur” um 1,4 Prozent, sodass 62.775 Einrichtungen zum Abschluss 2020 gezählt wurden. 

 

Expansionspläne: Branchenplayer signalisieren Vertrauen 

Grundsätzlich scheint das Vertrauen in weiteres Wachstum und eine schnelle Erholung seitens der Branche gegeben. Immerhin haben große Studioketten wie Pure Gym, Basic Fit, David Lloyd, Life Fit, The Gym Group, RSG und Fitness Park Pläne für die Eröffnung neuer Studios angekündigt. Und das, obschon die Bereitschaft der Kunden, zurück ins Studio zu kommen, in den einzelnen Ländern (noch) sehr unterschiedlich ausfällt, wie die Marktforscher von McKinsey und Deloitte im Juni dieses Jahres herausfanden. Allerdings ergaben ihre Befragungen auch, dass sich die Mehrheit der Befragten sicher ist, langfristig zurück ins Studio zu kommen.  

 

Ausgewählte Länder-Updates

Deutschland: Das Tal scheint durchschritten

Die kürzlich vom DSSV (Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheitsanlagen), DHfPG (Deutsche Hochschule für Gesundheits- und Präventionsmanagement) und dem Fachmagazin Fitness Management veröffentlichten Daten deuten darauf hin, dass die Verluste von Mitgliedern wieder in Gewinne umschwenken. So wurde die nationale Mitgliederzahl im Juni 2021 auf 9,3 Millionen geschätzt. Das bedeutet ein Plus von vier Prozent im Vergleich zu Ende März 2021, wo glatte neun Millionen beziffert wurden. Allerdings muss der positive Trend bei der Mitgliedergewinnung mit Blick auf das Rekordjahr 2019 relativiert werden. Immerhin lag die Mitgliederzahl Ende 2019 bei 11,7 Millionen und Ende 2020 immerhin noch bei 10,3 Millionen. Branchenexperten schätzen, dass das Vor-Pandemie-Niveau Anfang 2022 wieder erreicht wird. 

 

Frankreich: holpriger Restart durch “Pass sanitaire”

Die Einführung des Gesundheitspasses “Pass sanitaire” im Juli bremste den Aufschwung nach der Wiedereröffnung in Frankreich deutlich. Immerhin lässt die in den vergangenen Wochen steigende Impfquote auf einen Wiederanstieg der Mitgliederzahlen nach der Ferienzeit – vorausgesetzt, es werden keine weiteren Schließungen oder Einschränkungen verhängt.

 

Spanien: Auch ohne landesweiten Lockdown Mitgliederverluste

Anders, als in vielen Ländern, beschloss die spanische Regierung während der zweiten Welle keine landesweiten Schließungen von Fitnessstudios. Dennoch litt der Sektor stark unter Mitgliederverlusten. Erst in den letzten Monaten entwickelten sich die Zahlen der Neuzugänge wieder vielversprechend, wobei die absoluten Zahlen über die Sommermonate saisonbedingt weiterhin niedrig blieben.   

 

Schweiz: Die Rückkehr in die Studios hat begonnen

Die kürzlich von der DHfPG und swiss active veröffentlichten Zahlen deuten auf eine Rückkehr der Mitglieder in die Studios hin. Betreiber erwarten bis Dezember 2021 einen Anstieg der Mitgliederzahlen um sieben Prozent im Vergleich zur Wiedereröffnung im Mai 2021.

 

Business-Entwicklungen ausgewählter Betreiber

Basic-Fit: Solider Mitgliederanstieg im zweiten Quartal

Ende Juni 2021 meldete das börsennotierte Unternehmen Basic-Fit 2.066.000 Mitglieder. Mit dieser Zahl kommunizierte der mit 973 Studios größte europäische Discount-Fitnessanbieter einen Mitgliederanstieg von vier Prozent gegenüber dem ersten Quartal. Rene Moos, CEO, kommentierte: "Unsere Mitgliederentwicklung zeigt, dass Fitness ein echtes Bedürfnis darstellt und die Menschen Freude daran haben, wieder aktiv zu sein und an ihrer Gesundheit und Fitness zu arbeiten".

 

The Gym Group: Mitgliederzuwachs und häufigere Besuche

Auch die Gym Group freut sich über wachsende Mitgliederzahlen. So zählte der britische Betreiber von 190 Studios in Großbritannien im August 730.000 Mitglieder – 24 Prozent mehr, als im Dezember 2020.

Wie zum Beweis, dass ihre Mitglieder gerne in die Studios zurückkehren, veröffentlichte die Gym Group außerdem die durchschnittliche Anzahl der Besuche pro Mitglied und Woche. Diese sei um 17 Prozent gestiegen: von 1,2 Besuchen je Woche im Jahr 2019 auf 1,4 Besuche je Woche.

 

PureGym: Den dänischen Corona-Einschränkungen zum Trotz 

Pandemiebedingte Einschränkungen in Dänemark dämpften den Aufschwung über die Sommermonate. So durften bis zum zehnten September dänische Studios nur mit einem “coronapas” als Impfnachweis betreten werden. Eine davon betroffene Kette ist PureGym. Die Low Cost-Kette mit 506 Studios in Dänemark, Großbritannien und der Schweiz meldete Ende Juni 8,2 Millionen Studiobesuche, was einem Anstieg von 14 Prozent gegenüber Dezember 2019 entspricht. 

 

LFL Fitness: Bis Mitte 2022 zurück auf Vor-Corona-Niveau

88 Prozent in Großbritannien, 83 Prozent in Dänemark und 79 Prozent in der Schweiz – so beziffert LFL Fitness den Anteil seiner zahlenden Mitglieder am 15. August 2019.  Der Fitnessanbieter erwartet, dass seine Mitgliederzahl in der ersten Jahreshälfte 2022 wieder das Niveau von vor der Krise erreichen wird.

 

SATS: 2021 mehr Mitglieder reaktiviert als 2020 

Ende Juni meldete der dänische Fitnessanbieter SATS, der 254 Studios in den vier nordischen Ländern betreibt, eine durchschnittliche Mitgliederzahl von 2.409 pro Studio. Das entspricht einem Plus von zwei Prozent im Vergleich zu Ende März. SATS erklärt: "Wir haben mehr Mitglieder reaktiviert als im letzten Jahr und diese Mitglieder trainieren bis zu zehn Prozent mehr".

 

David Lloyd Clubs: Mit Rekordumsätzen zurück auf Vor-Corona-Niveau 

David Lloyd Clubs meldete sich als einer der am schnellsten wachsenden Fitnessanbieter in Europa zurück auf Vor-Pandemie-Niveau – und das entgegen der eigenen Prognose bereits Anfang August. Das Unternehmen mit insgesamt 115 Studios in Großbritannien, Irland, Belgien, Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien und den Niederlanden verkündet per Pressemitteilung: "Nach vier aufeinanderfolgenden Monaten mit Rekordumsätzen sind wir mit über 660.000 Mitgliedern wieder auf das Niveau vor der Pandemie zurückgekehrt und haben die ursprüngliche Prognose für die Erholung im Frühjahr 2022 übertroffen."

 

Potenzial der Branche noch nicht ausgeschöpft

Investoren bewerten die Zukunft der Fitnessbranche positiv. So erklärte ein neuer Investor in der Branche erst kürzlich: "Die 97 Milliarden Dollar schwere Gesundheits- und Fitnessindustrie ist eine äußerst widerstandsfähige, wachsende, globale Branche, die erst noch die Vorteile der Digitalisierung für sich entdecken muss."

Neben mehreren Betreibern, die erhebliche Mittel einsammeln, um ihre Expansion zu pushen, signalisieren strategische und Finanzinvestoren weiterhin Interesse am Gesundheits- und Fitnessmarkt. Dies zeigt sich an den vielen Unternehmen, die während der Pandemie neues Kapital aufnehmen konnten. Beispiele hierfür sind Basic-Fit, PureGym, The Gym Group, Aspria, David Lloyd Clubs und Third Space. Parallel erhielten auch Anbieter Investitionsmittel, wie egym, VAHA, Sport Alliance, USC oder Gympass.

 

Börsengänge trotz Pandemie 

International zieht es Unternehmen weiter an die Börse. In den USA ließen sich Beachbody, F45, Xponential Fitness notieren, in Brasilien der Marktführer Smartfit. Weitere IPO-Pläne wurden vom Budget Studio-Anbieter Bluefit aus Brasilien, von PureGym im Vereinigten Königreich und von LifeTimeFitness und iFit in den USA angekündigt.

 

Positive Zukunftsindikatoren: Mehr als ein Silberstreif

Im September veröffentlichte die OECD für die Eurozone ein Gesamtwirtschaftswachstum von 4,3 Prozent im Jahr 2021 und für 2022 ein Plus von 4,4 Prozent. Das korreliert mit den Ergebnissen einer im Juni durchgeführten Pulse-Befragung von 275 Entscheidungsträgern der Fitnessstudiobranche in Europa und Nordamerika. Sie ergab, dass 74,5 Prozent der Studienteilnehmer beabsichtigen, im nächsten Jahr "Technologieinvestitionen" für ihre Studios zu tätigen. 

Die Betrachtung aller erwähnten Entwicklungen lässt auf eine vielversprechende Zukunft hoffen, in der das Ziel von 100 Millionen Mitgliedern im Fitnessbereich bis 2030 in Europa immer noch möglich ist.