• 10 – 13 April 2025
  • Messegelände Köln

Fachkräftemangel in der Fitness- und Gesundheitsbranche: Erkenntnisse und Maßnahmen 

(c) Shutterstock

Bar ohne Namen

Entschlossen verweigert sich Savage, der Bar einen Namen zu geben. Stattdessen sind drei klassische Design-Symbole das Logo der Trinkstätte in Dalston: ein gelbes Quadrat, ein rotes Viereck, ein blauer Kreis. Am meisten wurmt den sympathischen Franzosen dabei, dass es kein Gelbes-Dreieck-Emoji gibt. Das erschwert auf komische Weise die Kommunikation. Der Instagram Account lautet: a_bar_with_shapes-for_a_name und anderenorts tauchen die Begriffe ‘Savage Bar’ oder eben ‚Bauhaus Bar‘ auf.

 

Für den BCB bringt Savage nun sein Barkonzept mit und mixt für uns mit Unterstützung von Russian Standard Vodka an der perfekten Bar dazu.

 

 

 

 

„Deutschland muss sich auf steigende Engpässe im Arbeitsmarkt auch in den kommenden 20 Jahren einstellen,“ prognostiziert Prof. Axel Plünnecke, Leiter des Clusters Bildung, Innovation, Migration am Institut der Deutschen Wirtschaft in einem Artikel der Fitness Management (fMI) im Sommer 2023 (1). Wie stark wirkt sich das aus? Ändern sich die „Spielregeln“? Und wie geht es den anderen? Spannende Berichte erfolgreicher Unternehmen und marktbasierende Erkenntnisse der renommierten Personalwissenschaftlerin Prof. Simone Kauffeld helfen weiter.

 

Mit wem konkurriert das Recruiting der Fitnessbranche?

In dem fMI-Fachartikel fordert Prof. Plünnecke die Entscheider auf: „Hier gilt es, den Arbeitsmarkt attraktiv zu gestalten und die Arbeitsfähigkeit der Erwerbstätigen zu erhalten.“ Die volle Tragweite dieses Aufrufs wird bei einem Blick auf die globale Gesamtwirtschaft erst richtig deutlich: „Mit Blick auf die Zukunft wird erwartet, dass der Mangel (an Arbeitskräften, die Red.) sowohl in hochqualifizierten als auch in geringqualifizierten Berufen anhält, (…)“ stellt ein Bericht der europäischen Kommission fest (2). Das globale Allianz Risk-Barometer (3) ermittelt: Die Gewinnung und Bindung qualifizierter Arbeitskräfte sei noch nie so schwierig gewesen. Unter anderem zitiert es eine Umfrage der Manpower Group, der zufolge „75 % der Unternehmen weltweit im vergangenen Jahr über Talentmangel und Schwierigkeiten bei der Einstellung von Mitarbeitern berichtet hatten.“

Es wird klar: Ja – wenn dem so ist, dann ändert sich auch an den Herausforderungen der aktuellen Personalsituation in der Fitness- und Gesundheitsbranche so schnell nichts. Und: Die Arbeitgeber stehen bei Mitarbeiterakquise und -Bindung in direktem Wettbewerb mit ALLEN anderen Branchen. National und international. 

Welche Erfahrungen machen Unternehmen mit jungen Mitarbeitenden und Bewerbenden? 

„Natürlich geht dieses Thema auch an uns nicht spurlos vorüber. Wobei wir gerade aus Sicht der jungen Leute den Vorteil haben, dass die Fitnessbranche einen gewissen Lifestyle widerspiegelt, der ein attraktives Arbeitsumfeld liefert,“ macht Fitness-Personalspezialistin Sandra Bäuerle im Gespräch mit der FIBO-Redaktion Hoffnung. Sie ist sportliche Gesamtleiterin und Personalverantwortliche der Premium Ressorts der Unternehmensgruppe Pfitzenmeier, größter regionaler Fitnessanbieter Deutschlands. Allerdings habe sich der Anspruch der Bewerber verändert. Die Unternehmen müssten in der Lage sein, dies zu akzeptieren und entsprechende Umfelder schaffen. 

In einem Interview mit der Fachzeitschrift Fitness Management (fMI) kommt der Geschäftsführer der schnell wachsenden, deutschen Fitnesskette „BestFit Group“, Stephan Schulan, zu ganz ähnlichen Ergebnissen (s.u.). 

Hat die Wissenschaft Lösungen für die Bekämpfung des Fachkräftemangels?

Praxisnah arbeitende Personal-Wissenschaftler entwickeln Lösungsansätze und hilfreiche Tools, die ihren Proof of Concept bereits angetreten haben. Prof. Simone Kauffeld ist eine Koryphäe in der Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie und hat seit 2007 an der TU Braunschweig den Lehrstuhl für dieses Fachgebiet inne. Gegenüber der FIBO erläutert sie im Interview: „Wir sind u.a. in der Gesundheitsbranche unterwegs, die sehr vom Fachkräftemangel betroffen ist. Hier versuchen wir z.B. über die Gestaltung gesunder Arbeit, Arbeitsbedingungen zu verbessern und diese attraktiver zu machen. Zudem können zwischen verschiedenen Berufsbildern die Aufgaben anders zugeschnitten werden. Dies alles ist eng verbunden damit, Mitarbeitende zu qualifizieren, ihre Organisation zu gestalten. Veränderungsmacher*innen (4) sind gefragt, die ihre Arbeit und ihre Organisation gestalten.“ Auch neue Technologien und künstliche Intelligenz böten Möglichkeiten, die Arbeit attraktiver zu machen.

Frau Prof. Kauffeld sieht die Veränderungen im Arbeitsmarkt auch wissenschaftlich bestätigt: Junge, qualifizierte Menschen würden gesucht und „können vor diesem Hintergrund Ansprüche formulieren, denen Unternehmen oft versuchen gerecht zu werden. Dabei wird Wert auf eine gute Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeiten und -orte, Feedback und Anerkennung, klare Strukturen, unmittelbares Feedback, Entwicklung sowie auf eine offene und transparente Kommunikation auf Augenhöhe gelegt.“ 

Frau Prof. Kauffeld (c) privat

Welche Maßnahmen helfen dabei, junge Mitarbeitende zu begeistern und zu halten?

Jeder macht da seine eigenen Erfahrungen. Sandra Bäuerle: „Generell bewerben sich viele neue Mitarbeitende auf Stellenanzeigen, weil sie uns als zufriedene Kunden kennen und ambitioniert sind, in diesem Setting auch zu arbeiten. Sie kennen dann das künftige Arbeitsumfeld bereits (…) und das ist ebenfalls ein großer Vorteil für das Studio als Arbeitgeber.“ Für uns ist es wichtig, junge Menschen zu finden, die sich mit dem Einstieg in die Fitnessbranche „ihren leidenschaftlichen Wunsch erfüllen, in diesem Bereich professionell zu arbeiten.“

Die fMI veröffentlichte in einem Interview mit Stephan Schulan, Geschäftsführer der BestFit Group, dass die junge Generation heute andere Ansprüche stelle als früher (5). Die Work-Life-Balance habe stark an Bedeutung gewonnen. Eine Inhouse-Umfrage der Gruppe habe ergeben, dass dieser Generation die Arbeitszeit von 40 Stunden plus Studium bzw. Ausbildung zu viel sei.

Die fMI zitiert Stephan Schulan mit den Worten: „Seit 1. Januar 2023 haben wir (…) die Wochenstunden für die rund 300 dual Studierenden und Auszubildenden bei gleicher Lohnfortzahlung auf 35 Stunden gesenkt. Es war eine unternehmerische Herausforderung, jedem fünf Stunden pro Woche zu streichen. Es ergibt aber Sinn, um die Qualität zu halten. 

Stephan Schulan (c) BestFit Group

Diese Grundsatzentscheidung als Teil der Firmenphilosophie spricht sich herum. Seitdem konnten wir wieder deutlich mehr gute Mitarbeitende gewinnen.“

Sandra Bäuerle zählt die Maßnahmen auf, die ihr Unternehmen für Mitarbeiterakquise und -Bindung einsetzt: „Durch eine qualitativ gute Ausbildung von Beginn an. Einen verlässlichen Ansprechpartner, der sie von der Einstellung bis zum Abschluss der Ausbildung bzw. des Studiums begleitet. Durch diverse interne und externe Fortbildungen in allen Arbeitsbereichen und in den sozialen Kompetenzen. Durch ein ansprechendes Arbeitsklima und erfahrene Kollegen, die den jungen Mitarbeitenden zur Seite gestellt werden. Mit der Zeit natürlich auch mit eigenen Verantwortungsbereichen, je nach Entwicklung und eigenem schwerpunktmäßigen Interesse.“

Wie sieht eine erfolgreiche Personalstrategie aus?

Frau Prof. Kauffeld beobachtet, analysiert und berät Unternehmen und Konzerne jeglicher Größe. Ihre Erfahrung: „Unternehmen reagieren auf die Anforderungen, indem sie eine attraktive Arbeitgebermarke aufbauen, die die Werte, die Vision und die Kultur des Unternehmens authentisch und transparent darstellt.“ Und weiter: „Homeoffice, Gleitzeit, Teilzeitmöglichkeiten, generell eine flexible Arbeitsgestaltung an den individuellen Bedürfnissen orientiert, sind gewünscht. Es werden ideosynkratische Deals eingefordert – jede/r möchte individuelle Lösungen für sich. Bin ich ein Wintersportler, möchte ich ggf. an Schneetagen in das nahegelegene Gebirge, bin ich Sonnenanbeterin, möchte ich bei über 30 Grad lieber ins Freibad. Das Unternehmen muss klären, inwieweit es diesen individuellen Wünschen nachkommen kann, ohne die prozedurale Gerechtigkeit, d.h. die Fairness in der Organisation in Frage zu stellen.“

Welche Rolle spielen Aus-, Fort- und Weiterbildung bei Mitarbeitendenakquise und -bindung?

Zu dieser Frage vertritt die Wissenschaftlerin eine klare Position: „Neben dem Onboarding werden Lernmöglichkeiten gefordert, die Potenziale heben, an den Stärken ansetzen und den Interessen der Mitarbeitenden gerecht werden. Coaching, Mentoring, individuelle Lernpfade sind hier einige Stichworte.“

Auch im Personalmanagement der BestFit Group spielt ein hochwertiges Qualifikations-System eine große Rolle, berichtet Stephan Schulan in der fMI: „Wir haben eine eigene Academy für Aus- und Fortbildung, die jeder Neuzugang eine Woche lang besucht, bevor er oder sie im Club beginnt. Dort werden sie eingekleidet, in der BestFit-DNA und den Basics unterrichtet, erhalten Schulungen zu unserer Software und in Trainingslehre – alles, was wichtig ist, um sich wohlzufühlen und uns optimal zu unterstützen.“

Bei der Unternehmensgruppe Pfitzenmeier bietet die hauseigene IFAA-Akademie internen wie auch externen Lernenden ein breites Spektrum hochwertiger Aus-, Fort- und Weiterbildungen. Diese intensive und aufwendige Betreuung trägt Früchte, berichtet sie: „Unsere Auszubildenden und dual Studierenden sind unsere Mitarbeitenden, Führungskräfte und, wie die Erfahrung zeigt, sogar unsere Studioleiter von morgen.“

Wie anspruchsvoll sollte der Arbeitgeber bei Aus-, Fort- und Weiterbildung sein?

Frau Prof. Kauffeld kennt die Antwort auf diese Frage aus ihren Erfahrungen – außerhalb und innerhalb der Fitness- und Gesundheitsbranche: „Die Fitnessbranche ist eine sehr dynamische und wachsende Branche. Die Anforderungen an die Qualifikation und Kompetenz der Mitarbeiter sind hoch und verändern sich beständig. Die Kunden erwarten oft nicht nur eine professionelle Einweisung und Betreuung, sondern auch individuelle Beratung, eine abwechslungsreiche Gestaltung der Trainingsprogramme und eine ständige Anpassung an die neuesten Trends. Mitarbeitende müssen sich weiterbilden, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Dabei sollten sie die Gelegenheit haben, dieses neue Wissen mit Kollegen und Kolleginnen zu teilen. Darüber hinaus muss die Ausbildung beständig angepasst werden.“

Die heutigen Möglichkeiten der Online-Education – ob durch professionelle oder auch semiprofessionelle Anbieter – würden helfen können, in der Bildung Akzeptanz und Effizienz zu steigern. Die Professorin gibt jedoch zu bedenken: „Viele Organisationen fragen sich allerdings, wie dieses individuelle Lernen anerkannt und zertifiziert werden kann. Es fehlen eine Qualitätssicherung und oft die soziale Interaktion und die Austauschmöglichkeiten mit Experten, die zum erfolgreichen Lernen und Anwenden oft unerlässlich ist.“ 

Welche Rolle spielen klassische Konditionen wie Löhne und Gehälter, Arbeitszeit oder Urlaubstage beim Kampf um gute Mitarbeitende? 

Auch diese Fragestellung hat man an der Braunschweiger TU wissenschaftlich durchleuchtet:

„Klassische Konditionen wie Löhne und Gehälter, Arbeitszeit, Urlaubstage sowie individuelle Anpassungsmöglichkeiten spielen eine große Rolle dabei, gute Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten,“ so Prof. Kauffeld. Aber sie seien nicht die einzigen oder wichtigsten Faktoren, die die Attraktivität eines Arbeitgebers ausmachen. „Die Motivation und die Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen hängen oft ab vom Team, der Unternehmens- und Führungskultur, den Entwicklungsmöglichkeiten, der Work-Life-Integration, dem Eingehen auf individuelle Bedürfnisse. Wie wird auf Fragen und Anliegen eingegangen? Darf der Hund mit zur Arbeit gebracht werden? Können Päckchen angeliefert werden? Kann die Arbeitszeit an persönliche Betreuungspflichten oder individuelle Hobbies angepasst werden?“ 

Welche Chance hat die Fitnessbranche im Konkurrenzkampf mit anderen Wirtschaftszweigen um gute Mitarbeitende?

Frau Prof. Kauffelds Appel macht Mut: Die Fitnessbranche sei eine sehr attraktive und zukunftsfähige Branche, die viel Potenzial habe, nicht nur sportbegeisterte und gesundheitsbewusste Kunden und Kundinnen zu gewinnen, sondern auch, qualifizierte Mitarbeitende anzusprechen und zu binden. „Seien Sie offen für neue Ideen und Impulse und fördern Sie sie. Nutzen Sie die Möglichkeiten von Digitalisierung und Automatisierung, die Mitarbeitende einführen und für die eigene Organisation passbar machen können, noch grundlegender. Machen Sie Mitarbeitende zu Gestaltenden ihrer Arbeit und der Organisation. Nutzen Sie die Chancen der Personal- zur Organisationsentwicklung!“

Fazit

Sandra Bäuerle kommt zu einer weiteren Erkenntnis, die – konsequent ungesetzt – einige mögliche Wettbewerbsnachteile der Fitnessbranche auf dem Arbeitsmarkt wieder wettmachen könnte. Ihre Strategie: „Wir versuchen, die jungen Menschen von Anfang an zu unterstützen, sie zu fördern und gezielt zu fordern.“ Dann zögert sie, setzt hinterher: „Wobei, eigentlich fängt es noch früher an: bei der Auswahl der potentiellen neuen Mitarbeitenden. Nur wer für diesen Job brennt, wird ihn langfristig und erfolgreich machen. Genau das möchten wir herausfinden und die jungen Leute ermutigen, ehrlich zu sich selbst zu sein. Immerhin geht es um ihre eigene Zukunft. Und auch mit einer 30- oder 35- Stunden Woche verbringt man sehr viel Lebenszeit im Job. Warum also immer von der Work-Life Balance sprechen? Wer die eigene Leidenschaft zum Beruf macht, braucht keinen Balance-Akt zwischen Job und Freizeit. Es geht vielmehr darum, die eigene Berufung zu finden. Wahrscheinlich macht es das am Ende aus: diejenigen zu finden, die zu uns passen und andersrum.“

 

Quellen:

(1) Prof. Dr. Axel Plünnecke | 14.06.2023 | „Transformation und Arbeitskräfte – wichtige Rolle auch für die Fitnessbranche

(2) Nachricht zum Bericht über Beschäftigung und soziale Entwicklungen in Europa (ESDE) 2023

https://ec.europa.eu/social/BlobServlet?docId=26989&langId=en

(3) „Allianz Risikobarometer 2023 - Rang 8: Fachkräftemangel

(4) Website zur Qualifikationsmaßnahme „Veränderungsmacher*in“

(5) Stephan Schulan, CEO BestFit Group, 22.9.2023 im Interview mit der Fitness Management

 

„Die 6 Tage und 40 Stunden Woche, wie sie für uns ´Alte´ noch üblich war, entspricht nicht mehr den Vorstellungen der jüngeren Generation. Wobei wir auch festgestellt haben, dass es den jungen Menschen nicht immer nur um die Arbeitszeit geht."

Sandra Bäuerle (c) privat